Whistleblower: die Geister, die sie riefen …

Eigentlich vermochte es nicht wirklich zu überraschen, dass das Arbeitsverhältnis von $VP-Nationalrat und Titularprofessor Dr. Christoph Mörgeli an der Uni Zürich zum Medienthema wurde. Nominell eine Anstellung von 80 Prozent am medizinhistorischen Institut der Uni Zürich, öffentlich wahrnehmbar deutlich mehr als 50 Prozent Zeitaufwand für Nationalrats- und Parteimandate – selbst wenn Workaholics zynisch behaupten, der Tag habe 24 Stunden, und wenn dies nicht reiche, könne man ja noch die Nacht dazu nehmen. Festzuhalten ist, dass es sowohl einen Fall Mörgeli als auch das Problem Milizparlament gibt.

Das Internet vergisst nicht – das nützt allerdings nichts, wenn nicht auch Menschen ein Erinnerungsvermögen haben. Da war doch vor einigen Jahren was mit der Neubesetzung der Leitung des medizinhistorischen Instituts. Tatsächlich, mit einigen wenigen Klicks und den geeigneten Suchwörtern (diese bleiben mein Geheimnis) findet sich im Internet ein Tagesanzeiger-Artikel vom 30.5.2009. Es ging um „Geschichten“ rund um die Neubesetzung der Leitung dieses Instituts. Ich zitiere hier einen längeren Abschnitt: Auch Christoph Mörgeli selbst hat sich um die Stelle des Institutsleiters beworben. Allerdings glaube er, «vorsichtig formuliert», dass seine Chancen «nicht extrem gross» seien. Dies wegen seiner politischen Positionen, die an der Uni nicht sonderlich gern gesehen seien. Dass Mörgeli kaum Chancen hat, bestätigen Fachkollegen – auch solche, die ihm gut gesinnt sind. Als Grund erwähnen sie nicht primär seine Gesinnung, sondern den Umstand, dass er mit seinem Nationalrats- und Parteiengagement derart belastet sei, dass für die Wissenschaft nicht mehr viel Platz bleibe – mit der Folge, dass er als Historiker den Anschluss an den aktuellen Forschungsstand verloren habe. Ende Zitat

$VP-Nationalrat und Titularprofessor Dr. Christoph Mörgeli wurde tatsächlich nicht zum Leiter des medizinhistorischen Instituts bestimmt – allerdings überrascht es, dass trotz der Schwere der damaligen Vorwürfe eine ausserordentliche Leistungsbeurteilung erst im November 2011 gestartet wurde. Positiv formuliert: da wurde extrem viel Rücksicht auf den Nationalrat und $VP-Chefstrategen Mörgeli genommen.

Es ist davon auszugehen, dass die lange Verfahrensdauer Whistleblowers ermutigt hat, die Medien zu informieren. Pech für „Der Sonntag„, dass die Whistleblower-Personen nicht wirklich „zuverlässige Quellen“ waren – ein bisschen juristische Abklärungen hätte es schon noch gebraucht – „fristlose Entlassung eines Professors“ ist rechtlich kaum möglich, hier hätten die Alarmglocken läuten müssen. Aber eben: die Geister,die auch die $VP rief …

Die $VP als antidemokratische Partei setzt auf das antidemokratische Whistleblowing – zur Abwechslung betrifft es ein bekanntes $VP-Mitglied. Dass nun die Chefs der nationalen und kantonalen $VP-Organe Toni Brunner und Alfred Heer Verschwörungstheorien aller Art entwickeln, ist bestenfalls lächerlich.


$VP-Nationalrätin und Medien-Managerin Natalie Rickli hat fast zeitgleich zu den Artikeln über ihren Partei-und Nationalratskollegen Christoph Mörgeli die Öffentlichkeit über die Diagnose „Burnout-Syndrom“ informiert. Diese beiden Beispiele illustrieren eindringlich, dass das aktuelle System von so genannten MilizparlamentarierInnen nicht nachhaltig funktionieren kann (mag sein, dass $VP-PolitikerInnen eher gefährdet sind, weil die absurden Nicht-Positionen dieser Partei kaum vermittelbar sind) – auch noch in Erinnerung ist das Herzensanliegen-Beispiel von FDP-Nationalrätin Doris Fiala. Einmal mehr Werbung für die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle (also auch für ParlamentarierInnen)!