„Wer Geld hat, ist nicht nachhaltig. So einfach ist das.“

So direkt hat dies noch selten jemand gesagt wie Benedikt Loderer in seinem Essay „Wir haben so viel Zersiedelung, wie wir Geld haben“ im Online-Tagesanzeiger vom 3. Juni 2012: Wer Geld hat, ist nicht nachhaltig. So einfach ist das. – auch wenn etwa mein Blogtext „Prinzip Hoffnung: Nachhaltigkeit“ durchaus in diese Richtung weist.

Benedikt Loderer thematisiert seit langem die Zersiedlung durch „das Hüsli“ – ganz und gar nicht zur Freude der Bau- und Erdölmafia in diesem Land. Nun setzt Benedikt Loderer einen Kontrast: in seinem Essay beschreibt er „Frau Dichte“, eine durch und durch ambivalente Tatsache! „Das Hüsli“ – als Gegenspieler von Frau Dichte – als Wohlstandszeichen. Die Wohnbaugenossenschaften, die damit starteten, beengte Wohnsituationen, überdichtes Wohnen zu ersetzen durch wohnhygienisch bessere Verhältnisse, die zu einer laufenden Steigerung der Wohnfläche pro Person führten.

Das am 30.5.2012 vorgestellte Nachhaltigkeitsmonitoring der Stadt Zürich zählt die Wohnfläche pro Person zu den Indikatoren der wirtschaftlichen Aspekte der Nachhaltigkeit. In der Beurteilung ist zu lesen: Der heutige hohe Wert [durchschnittliche individuelle Wohnfläche (Nettogeschossfläche)] der Stadt Zürich ist Ausdruck einer breiten wohlhabenden Mittelschicht. Ein weiterer Anstieg dieses Werts kann nicht als nachhaltig bezeichnet werden. Offen bleibt dabei allerdings, ob das aktuelle Niveau als nachhaltig eingeschätzt werden kann – es ist davon auszugehen, dass angesichts des übergrossen ökologischen Fussabdrucks eine nachhaltige Entwicklung ist, die die individuelle Wohnfläche weiter vermindert.

Ein weiterer Hinweis, durchaus auch aus der Aussage von Benedikt Loderer ableitbar: dass es Menschen gibt, die sich im aktuellen Wohnungsmarkt eine Wohnung nicht leisten können oder wollen, zeigt, dass dieser Markt weit davon entfernt ist, nachhaltig zu sein!

Loderers Kritik sowohl am „Das Hüsli“ als auch an „Frau Dichte“ zeigt, dass der aktuelle Wohnungsmarkt weit von einer nachhaltigen Entwicklung entfernt ist – und dass diese Nicht-Nachhaltigkeit extrem viel Geld kostet! Es braucht also Ansätze, um wegzukommen vom „Das Hüsli“, aber gleichzeitig „Frau Dichte“ pfleglich zu behandeln. Es braucht einiges an Ideen, um Inclusive Wealth (etwa „umfassender Wohlstand“) auch im Wohnbereich zu erreichen!

Es braucht den Übergang zum Lebensabschnittswohnen – während Familien mit Kindern deutlich unterdurchschnittlich Wohnraum pro Person beanspruchen, sind es in der Tendenz die Eltern, die nach dem Auszug der Kinder in der ursprünglichen Familienwohnung verbleiben, die über eine deutlich überdurchschnittliche Wohnfläche pro Person verfügen. Genossenschaften ermöglichen solches Lebensabschnittswohnen, dies könnte weiter gefördert werden, wenn statt Wohneigentum ein Wohnnutzungsrecht erworben werden kann.

Die Idee des „Home Office Day“ weist einerseits darauf hin, dass es aus diversen Gründen (z.B. Verminderung des PendlerInnenverkehrs) zweckmässig sein kann, einen Teil der Erwerbsarbeit (unabhängig ob selbstständig erwerbend oder angestellt) zu Hause zu leisten. Dieser „Home Office“-Arbeitsplatz muss allerdings in der Wohnraumgestaltung berücksichtigt werden, was allenfalls in Konkurrenz stehen kann zur Verminderung der Wohnfläche pro Person.

Ein weiterer Aspekt der Zersiedelung ist die zunehmende Bedeutung der Alltags- und Freizeitmobilität (Einkaufen, Begleitmobilität für PartnerInnen und Kinder, Naherholung, Freizeitaktivitäten). Mit zur Nicht-Nachhaltigkeit der „Das Hüsli“-Schweiz trägt die Bedeutung des Alltagsverkehrs bei. Es braucht eine Entwicklung zu Ökostädten, bei der die Abwicklung sehr vieler Alltagshandlungen mit möglichst kurzen Wegen möglich ist.

Auch Lebensabschnittswohnen in Oekostädten braucht Geld, sogar viel Geld (wohl kaum mehr als heute). Entscheidend: das Dach über dem Kopf für Wohnen, Ausbildung und Arbeiten wird auch zukünftig wichtig sein – mit dem Verzicht auf diversen Überkonsum wird es allerdings möglich sein, dies zu ermöglichen. Noch viel besser gelingt dies parallel mit der Realisierung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle!