Was kostet denn …

… nein, nicht der Ausstieg aus der, sondern der Wiedereinstieg in die Atomenergie? Rationalen DenkerInnen ist spätestens seit Tschernobyl, also seit 1986, klar, dass Atomenergie keinen massgeblichen Beitrag zur globalen Energieversorgung wird leisten können. Zu schwerwiegend sind die Risiken, die mit der gesamten Anwendungskette vom Uranabbau bis zur langdauernden Aufbewahrung des Atomabfalls verbunden sind. Alle Option-OffenhalterInnen und Technologie-Hoffenden können nicht darüber hinweg täuschen, dass eine nachhaltige Energieversorgung OHNE Atomenergie (sowohl in der Spaltungs- wie in der Fusionsform) auskommen muss.

Seit der Erdölpreiskrise 1973 ist die Energiepolitik von einer einseitigen Sichtweise geprägt: immer müssen sich die VertreterInnen alternativer Lösungen vorrechnen lassen, dass ihre Lösung teurer sei als die „bewährten“ fossilen und nuklearen Energien. Nie aber legen die Kernenergie- und Erdöl-LobbyistInnen Rechenschaft darüber ab, was die von ihnen favorisierten Energien kosten.

Sir Nicholas Stern hat mit seinen ExpertInnen ermittelt, dass es fünf Mal teurer ist, die Folgen des Mensch gemachten Klimawandels (Adaptation) zu bewältigen als den Mensch gemachten Klimawandel zu begrenzen (Mitigation).

Mit im wesentlichen Phantasiezahlen zu den den Kosten des Ausstiegs aus der Atomenergie soll einmal mehr davon abgelenkt werden, dass die Kernenergie in Realität unbezahlbar ist.

Als Zitat aus der Internet-Zeitung oekonews.at: Die deutschen Kernkraftwerke sind um mehrere Größenordnungen unterversichert. Müssten die Betreiber ihre Anlagen adäquat gegen nukleare Katastrophenfälle absichern, würde der Preis für eine Kilowattstunde (kWh) Atomstrom je nach Versicherungsmodell auf bis zu 2,36 Euro steigen. Das entspräche dem Zehnfachen des durchschnittlichen Haushaltsstrompreises. Damit sind die Risiken, die aus dem Betrieb der AKW resultieren, in der Praxis nicht versicherbar. Die Kosten für die dauerhafte, sichere Aufbewahrung des Atommülls während mehreren hundertausend Jahren sind dabei noch nicht inbegriffen.

Neue Kernkraftwerke bei uns in den USA würden pro Kilowattstunde drei Mal mehr kosten, als die Verbraucher heute zahlen. Das wäre auch bedeutend mehr, als Strom aus Erdgas und erneuerbaren Quellen kostet. Dies sagt Peter A. Bradford, Professor für Energiepolitik und -recht an der Vermont Law School in South Royalton, ehemaliges Mitglied der US-Atomaufsichtsbehörde, Vizevorsitzender der atomkraftkritischen Wissenschaftlervereinigung Union for Concerned Scientists in einem Interview mit der Zeitung „Neues Deutschland“ vom 28. Mai 2011.

Das klassische Denkmuster – die Alternativen sind teurer, als das, was heute üblich ist – führt auch zu einem hoch kontraproduktiven Markteingriff: die finanzielle Förderung von Energieeffizienzmassnahmen und von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Wie alle Subventionen hat dies zur Folge, dass bei diesen politisch und gesellschaftlich erwünschten Massnahmen und Technologien die Innovation erheblich behindert wird und der Know-how-Transfer nicht funktioniert.

In der Konsequenz heisst dies – und ich habe dies bereits mehrfach dargestellt, z.B. im Beitrag Nach-nuklear und nach-fossil: heute beginnen!: es braucht endlich eine klare Energiepolitik mit einem schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie (und nicht etwa den vom Schweizerischen Bundesrat vorgeschlagenen Atomenergie-Ausfransel-Kurs) und einer konsequenten Klimaschutzstrategie. Statt einem Dschungel von Förderbeiträgen braucht es klare Vorgaben – zum Beispiel einen straffen und verbindlichen Fahrplan auf dem Weg zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien für die Elektrizitätswerke, ein Sanierungsobligatorium für Gebäude oder eine Verkehrspolitik, die das Verkehrssparen in den Vordergrund stellt und den verbleibenden Verkehr mit „Gefässen“ mit hoher Energieeffizienz und geringem Ressourcenbedarf abdeckt – zum Beispiel durch eine Verminderung der Verkehrsflächen.

Zurückkommend auf die Titelfrage: der Ausstieg aus der Atomenergie und damit der Weg zur nuklearfreien Energiezukunft ist parallel zum Einstieg in die fossilfreie Energieversorgung problemlos finanzierbar – und auf jeden Fall deutlich billiger als das Festhalten an Atomenergie und fossilen Brenn- und Treibstoffen! Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft kann dabei bestens als Wegweiser in die nachhaltige Energiezukunft dienen.


Nachtrag 26.2.2012

Auch Magdalena Martullo-Blocher gesellt sich zu den nachweislich unqualifizierten Energiewende-KritikerInnen, in einem Sonntagszeitungs-Interview vom 26.2.2012 – das Erschreckende an diesem Interview ist, dass Frau Martullo-Blocher hier uralte, längst widerlegte Behauptungen auftischt. So rückständig sind jene Köpfe, die sich als VertreterInnen der Wirtschaft aufspielen!

1. Fassung 28.5.2011