Wahlempfehlung: Ständeratswahlen Kanton Zürich, 2. Wahlgang 27. November 2011

Die noch verbleibenden drei KandidatInnen für den 2. Wahlgang der Ständeratswahlen haben direkt eine summierte Parteistärke von etwas mehr als 50 % – wie bereits der erste Wahlgang gezeigt hat, steht hinter keiner der Kandidaturen mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten. Dieser zweite Wahlgang ist der ideale Zeitpunkt, um gegen den ademokratischen Ständerat zu protestieren. Deshalb meine Wahlempfehlung: schreiben Sie zwei Namen von für Sie und gemäss Wahlrecht wählbaren Personen auf – der Einfachheit halber die nicht mehr antretenden KandidatInnen des ersten Wahlgangs – auf keinen Fall die Namen der verbleibenden KandidatInnen Verena Diener, Grünliberale, Felix Gutzwiller, FDP oder Christoph Blocher, $VP.

Auch wenn die politische Position von Herrn Blocher auf Smartspider nicht abgebildet ist (was den Verdacht bestätigt, dass sowohl er wie die $VP gar keine politischen Position haben, sondern nur eine Sammlung populistische Sprüche), ist zumindest für mich klar: der in Smartspider-Prozenten gemessene Unterschied der Positionen der drei Kandidatinnen ist deutlich kleiner als der Abstand meiner Position von jener von Verena Diener. Da die Überstimmung der Position kleiner als 40 Prozent ist, sehe ich keine Veranlassung, eine der offiziell nominierten Personen zu wählen.

Eine echte demokratische Wahl der Zürcher Ständeratsvertretung ist aus prinzipiellen Gründen nicht möglich. Wie die Entscheide dieses Gremiums der letzten 4 Jahre zeigen, vermag der Ständerat als gesamtes nicht, adequate Antworten auf die dringenden Fragestellungen unserer Zeit zu geben. Der Nationalrat, welcher nach Proporz gewählt ist, ist geringfügig näher an den Alltagsrealitäten. Die deutlich überproportionale Vertretung der Landkantone im Ständerat ist eine weitere Folge des hochgradig verzerrenden Wahlmodus für den Ständerat. Es gibt nur eines: der Ständerat ist abzuschaffen, stattdessen ist der Nationalrat geringfügig zu vergrössern um je zwei Vollmandate pro Kanton, plus je eine zusätzliche Vertretung für alle Städte mit mehr als 100’000 Einwohnenden, das sind derzeit Zürich, Genf, Basel, Bern, Lausanne und Winterthur. Dieser neue Nationalrat hätte somit etwas über 250 Mandate – mit dem Nebeneffekt, dass auch bei Kantonen, die derzeit insgesamt weniger als 6 Stände- und Nationalratsmandate haben, die demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten verstärkt würden.

Da die politische Chamäleon-Mitte durch die Nationalratswahlen zu neuer Stärke aufgelaufen ist, sehe ich selbst bei einer guten Beachtung meiner Wahlempfehlung ein äusserst geringes Risiko, dass Alt- Nationalrat und Alt-Bundesrat Christoph Blocher in den Ständerat gewählt werden könnte. Und wenn: dann würde dies dem Willen der wählenden Mehrheit entsprechen – und ob Herr Blocher in diesem eigenartigen Gremium noch absurdere Entscheide als bis anhin herbeiführen könnte, ist nicht wirklich anzunehmen.

P.S. 2007 habe ich Verena Diener noch für die Ständeratswahlen empfohlen. Heute tue ich dies nicht mehr. Warum? Einerseits die oben erwähnte Ständeratsproblematik – und dann die Entwicklung der Grünliberalen, welche trotz den in diesen vier Jahren deutlich verschärften ökologischen Herausforderungen deutlich abgeschwächte ökologische Positionen vertreten.


Nachtrag 14.11.2011

Ein Benzinpreis von vier Franken ist objektiverweise die Mindestvorgabe für ein marktgerechtes Angebot – der Strassenverkehr deckt die diversen externen Kosten bei weitem nicht. Die Befürchtung aus dem $VP-Umeld – in einem Brief an Hundertausene WählerInnen und NichtwählerInnen, AutofahrerInnen und Nichtautofahrende geäussert – Verena Diener werde den Benzinpreis auf vier Franken setzen, ist erstens volkswirtschaftlich absurd, weil auch der Benzinpreis kein wahrer (Energie-)Preis ist, ist zweitens politisch absurd weil damit eine verzerrte Wahrnehmung der demokratischen Entscheidprozesse kommuniziert wird, und ist drittens durch die erste vierjährige Amtsperiode von Verena Diener im Ständerat widerlegt: die an den Tankstellen festgestellten Preisveränderungen für Benzin – in dieser Zeit sowohl nach oben wie nach unten – haben nachweislich nichts mit individuellen Beiträgen von Verena Diener zu tun, kaum etwas mit den politischen Entscheiden des Ständerats, sondern überwiegend durch die durch die Schweiz kaum beeinflussbare Marktentwicklungen. Diese absurde Briefaktion zeigt einmal mehr: in Wahlen ist es nicht möglich, gegen einEn KandidatIn zu werben, möglich ist nur Positivwerbung für den/die eigenen FavoritIn. Herr Blocher hat offensichtlich und objektiv schlicht keinen Erfolgsnachweis.

Im übrigen: welche Auswirkungen hätte denn ein Benzinpreis von 4 Franken pro Liter auf den Kilometerpreis? Wie immer hilft da der TCS weiter. Das vom TCS angenommene Durchschnittsauto verursacht bei 15’000 km Jahresfahrleistung Kosten von 76 Rappen pro Kilometer; 14.9 % davon machen die Treibstoffe aus. Wenn der Benzinpreis von derzeit etwa 1.70 auf 4 Franken pro Liter steigt, liegen die Kilometerkosten neu bei 91 Rappen, bloss 20 Prozent höher! P.S. die Kilometerkosten im ÖV liegen deutlich tiefer.

Der Tagesanzeiger beweist einmal mehr die Verschiebung zum Auto-Anzeiger: die Leserbriefseite in der Ausgabe vom 14. November 2011 zum Artikel „Autofahrer sollen Diener abwählen“ wird abgeschlossen von einer Kombination zwischen Impressum und einem darin integrierten Werbeblock – für Autos! Und zwar werden US-„Billig“-Jeeps (dank Dollar-Bonus) – mit Verbrauchswerten über 10 lt Benzin pro 100 km und Fahrzeuggewicht über 2 Tonnen – angeboten.

Erste Fassung 5.11.2011

2 Gedanken zu „Wahlempfehlung: Ständeratswahlen Kanton Zürich, 2. Wahlgang 27. November 2011“

  1. Das Argument, dass der Staenderat zu wenig repraesentativ ist, ist ja nicht neu. Aber muss man ihn deshalb gleich abschaffen? Im Rahmen einer Abhandlung zu diesem Thema muesste man meines Erachtens zwingend auch die Frage eroertern, weshalb in westlichen Demokratien alle Parlamente auf nationaler Ebene zwei Kammern haben.

  2. Es trifft nicht zu, dass alle Parlamente in westlichen Demokratien zwei Kammern haben. Dänemark – ist sicher auch noch eine westliche Demokratie 🙂 – hat nur eine Kammer. In Deutschland kann der Bundesrat nicht als zweite Kammer betrachtet werden. Tja, und das House of Lords in England ist eher das Vetoinstrument der Monarchie. Und bei den meisten dieser Doppelkammer-Parlamenten haben nicht alle Kammern die gleichen Kompetenzen. Die Zweikammerlösung ist alles andere als zwingend. Der Ständerat ist das Überbleibsel des Staatenbundes – und einem Bundesstaat nicht wirklich angemessen (auch die USA versteht sich halt immer noch ein bisschen als Staatenbund). Wir haben in der Schweiz zu viele Themen, etwa die Energiepolitik, auf kantonaler Ebene – die Bau- und Immobilienwirtschaft ist mindestens national, wenn nicht international, da machen 26 unterschiedliche Energiegesetze, selbst dann, wenn sie minimal koordiniert sind, eigentlich keinen Sinn. Aber es ist so: die Abschaffung des Ständerates würde den Bundesstaat-Optik verstärken.

    Zudem: in einer direkten Demokratie sollten Geschäfte – zum Beispiel Initiativen – schneller den Stimmberechtigten vorgelegt werden können. Der Dauerloop zwischen den beiden Parlamentskammern bremst die direkte Demokratie.

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