Vorausschauen auch am Schweizer Nationalfeiertag

Wenn es um Ranglisten im Ländervergleich geht, steht die Schweiz häufig meist weit vorne, ausser allenfalls dort, wo es um die schiere Grösse geht. Beim Demokratieindex und beim kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt pro Person liegt die Schweiz auf den Rängen sechs und acht – und sogar auf dem zweiten Rang beim World Happiness Ranking. Obwohl im Mittel die SchweizerInnen im globalen Vergleich über eine hohe Umweltqualität verfügen, wird die öffentliche Diskussion von nationalkonservativen und neoliberalen JammererInnen geprägt. Gerade am Nationalfeiertag ist allerdings der visionäre Blick voraus gefragt.

Sowohl in den Medien als auch in den Online-Stammtischen hat sich in den letzten Jahren eine Grundhaltung entwickelt, die sich mit «Ich bin super, alle anderen sind unbrauchbar und erst noch an meinem Elend schuld» beschreiben lässt. Ausgangspunkt dazu ist unter anderem die SVP mit ihrem immer stärker alternden Milliardär-Autokraten Christoph Blocher an der Spitze, aber auch die «Mehr Freiheit, weniger Staat»-PredigerInnen von der FDP.

Einerseits ignorieren diese Stimmen die mittlere hohe Lebensqualität in der Schweiz, äussern andererseits aber sehr direkt den Eindruck, sie wähnten sich in der Masse der Zukurzgekommenen. Lebensqualität, Happiness sind komplexe Dinge, es gehören viele Elemente dazu – und es ist damit durchaus auch die Sorge verbunden, dass es zukünftig nicht mehr so sein könnte. Dies zeigt sich etwa bei Abstimmungen über die Feriendauer oder das bedingungslose Grundeinkommen für alle. Ich stelle fest, dass sich immer mehr Menschen über den «Rest» der BewohnerInnen der Schweiz (und auch der Welt) nur noch in dritter Person Mehrzahl äussern – egal wie gewagt und ungesichert die vertretenen Positionen sind. Immer mehr Menschen wollen sich offenbar herausnehmen aus dem, was in der Schweiz und in der Welt so alles passiert, exemplarisch etwa Noch-Armeechef Blattmann. Eine ganz klare Gegenposition dazu: WIR ALLE sind es, die das menschliche Leben auf diesem Planeten ausmachen. Auch wenn Barack Obama mehr oder weniger ausgeprägt in Sachzwängen gefangen war, sein «Yes, we can» muss Leitgedanke unseres Handels sein.

Bei einer weiteren Kenngrösse sind die SchweizerInnen im globalen Vergleich ebenfalls in der Spitzengruppe unterwegs, nämlich beim ökologischen Fussabdruck. Letztlich deckt sich dies mit der Egoismus-Komponente der öffentlichen Debatte.

Die globalen Ressourcen sind Allgemeingut, das globale Klima gehört mit dazu. Die Wirtschafts-Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom hat diese globalen Ressourcen als Allmenden bezeichnet. Das passt bestens zum Nationalfeiertag: Lawinenschutzwälder beispielsweise gelten ebenfalls als Allgemeingüter, mit klaren Regeln, wie damit umzugehen ist, inklusive Strafandrohung bei Missachtung dieser Regeln! Es mag sein, dass der Schutz vor Lawinen in den Alpen plausibler ist als der Schutz vor dem Mensch gemachten Klimawandel – spätestens mit dem Klimaschutzabkommen CO21 von Paris sind die Verpflichtungen auch der Schweiz zum Klimaschutz klar. Um diesen Verpflichtungen gerecht zu werden, hat die Schweiz bis spätestens 2035 aus den fossilen Brenn- und Treibstoffen auszusteigen, parallel zum Ausstieg aus der Atomenergie. Wenn wir es wirklich wollen, ist dies zu schaffen (hier schon wieder das WIR!). Allerdings sind es schon wieder FDP und SVP, die mit ausschliesslich absurden und vorsätzlich falschen Argumenten gegen eine fossil- und atomfreie Energieversorgung antreten. Dazu passt auch eine Meldung vom 26. Juli 2016: Die zukünftige globale Erwärmung durch die von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen wird das Risiko von Naturkatastrophen und damit vermutlich auch von Konflikten und Migration erhöhen.

Die Menschheit lernt aus der Geschichte, dass die Menschheit aus der Geschichte nichts lernt. Nicht nur FDP und SVP beschwören am 1. August die Vergangenheit. Trefflicher lässt sich nicht illustrieren, dass tatsächlich nichts aus der Geschichte gelernt wurde. Einige exemplarische Beispiele dazu. Die Schweiz war schon immer eine Exportnation. Für den Papst und die französischen Könige hat die Schweiz zu Zeiten des Absolutismus Kriegs-Know-how exportiert – mit dem Sacco di Roma 1527 und dem Sturm der Pariser Bastille 1789 wurde dieses Exportgut hinfällig. Die Schweiz hat konservativ auf die falschen Partner gesetzt! Auch im Zweiten Weltkrieg hat zumindest ein erheblicher Teil der massgeblichen Kräfte in diesem Land lange Zeit auf Hitler-Deutschland gesetzt – mit der Folge, dass die Schweiz im Nachkriegseuropa lange, eigentlich noch immer, abseits stand (und zum Beispiel keinen Beitrag leisten konnte, um die EU zu demokratisieren).

Nach wie vor ist die Schweiz ein Exportland – die Schweiz setzt hauptsächlich auf Chemie, legale, aber nicht überall als legitim betrachtete Geldbewirtschaftungsdienstleistungen, Luxusgüter, Waffen und die fossile Energiewirtschaft. Die Schweiz ist und bleibt offenbar ein konservatives Exportland: Immer mehr Institutionen und Städte/Länder distanzieren sich beispielsweise von den fossilen Energien, Stichworte Divestment oder Fossil Free, somit durchaus ein disruptiver Vorgang. In Analogie dazu kündigen sich im Bankenwesen mit Fintech ähnliche Veränderungen an. Insbesondere FDP und SVP möchten da abseits stehen – die konservativen Kräfte setzen einmal mehr auf die falschen Karten: aus der Geschichte nichts gelernt!

Erste Korrekturmöglichkeiten bieten sich den Stimmberechtigten der Schweiz an den Abstimmungswochenenden vom 25. September und 27. November 2016: JA zur Volksinitiative «Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)», JA zur Volksinitiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative)»!


BIP, Demokratieindex, ökologischer Fussabdruck und Happiness-Ranking: Welche Zusammenhänge lassen sich aus diesen Zahlenwerten ableiten?

  • Nur in Ländern mit einem sehr tiefen BIP pro Person führt eine Zunahme des BIP auch zu einer Erhöhung der «Happiness». Analoges gilt für den Zusammenhang zwischen Demokratieindex und BIP.
  • Ebenso gilt: Nur in Ländern mit einem sehr tiefen ökologischen Fussabdruck pro Person führt eine Zunahme des ökologischen Fussabdruckes auch zu einer Erhöhung der «Happiness». Mit mehr Konsum lässt sich also die «Happiness» in den reichen Ländern nicht mehr erhöhen!
  • Mehr Demokratie steigert tendenziell die «Happiness».
  • Ein höheres BIP führt unmittelbar zu einem höheren ökologischen Fussabdruck.

Der Vollständigkeit halber: Das BIP ist ein zynischer Indikator, aber genau deshalb weiterhin in Benutzung.