Von Flopenhagen zu Cancún-Luftballons?

Vor der Weltklimakonferenz Kopenhagen 2009 waren die Erwartungen riesig – die Enttäuschung nach den schäbigen Ergebnissen umso grösser. Vor Cancún wurde tiefgestapelt – nach dem Abschluss dieser Klimakonferenz wirken die Reaktionen selbst von WWF und Greenpeace schon fast euphorisch. Nur: wenn man etwa in der TAZ die Hauptergebnisse von COP 16 nachliest: die Klimaschutz-Diplomatie – welche sich heute offenbar in erster Linie als Klimawandelfolgenanpassungs-Diplomatie versteht – hat vor allem warme Luft und einige wenige „schöne Worte“ produziert. Solange etwa der Zürcher Regierungsrat behauptet, die Energieplanung auf Kantonsebene sei auf Kurs, und damit die dringend erforderlichen Kurskorrekturen auch in der Schweiz noch nicht einmal in Ansätzen erkennbar sind, bleiben die Dokumente aus Cancún Luftballons. Was bleibt: die Zivilgesellschaft ist gefordert!

Zwar wurde in Cancún das Zwei-Grad-Ziel festgehalten – obwohl klar ist, dass die bis jetzt zugesicherten Massnahmen bei weitem nicht ausreichen, um das Ziel zu erreichen. Ebenso klar ist bereits heute, dass dieses Zwei-Grad-Ziel der Mensch gemachte Einfluss auf den Klimawandel immer noch zu gross ist und eher ein 1.5-Grad-Ziel anzustreben ist. Interessant etwa auch, dass die Aufforderung der Internationalen Energie-Agentur IEA, die Regierungen sollten auf Niedrig-Treibhausgas-Emissions-Szenarien setzen, nicht wirklich gehört wurden – gerade auch im Hinblick darauf, dass die IEA unterdessen ebenfalls von einem Peak Oil ausgeht, alles andere als ermutigend. Dazu passt auch, dass die Klimawandelfolgenanpasung-Massnahmen in Cancún wesentlich mehr Gewicht erhielten als der Klimaschutz, also die Begrenzung des Mensch gemachten Einflusses auf das Klima.

Es braucht endlich einen Klimawandel-Alarm für die Schweiz – es braucht tiefgreifende Massnahmen. Auch wenn ein solches Massnahmenbündel auf www.umweltnetz.ch bereits mehrfach dargelegt wurde, hier der Einfachheit gerade nochmals:

Jetzt ist die Politik gefordert! Die erforderlichen Massnahmen sind bestens bekannt, sie sind unter anderem in umweltnetz.ch dokumentiert – Klimaschutz ist einer der häufigstens Tags!

  • Es braucht endlich eine stark lenkende Energieabgabe auf allen Energieträgern mit vollständiger Rückerstattung an Haushalte und Wirtschaft – die derzeit nicht gesetzeskonforme Abgabe auf fossilen Brennstoffen (CO2-Abgabe) mit Teilzweckbindung für DAS GEBÄUDEPROGRAMM ist blitzartig für diesen Zweck umzubauen.
    Da mit diesem Instrument volkswirtschaftlich keine Mehrkosten entstehen (ausser ein bisschen Administrationsaufwand), sondern nur jene belohnt werden, die sich klimabewusst verhalten, dafür jene belastet werden, die das Klima deutlich übermässig belasten, kann eine schnelle Marktreaktion erwartet werden.
  • Sowohl angesichts der globalen Situation als auch der verheerenden Klimaschutzrealität in der Schweiz ist von einer eigentlichen Notstandssituation auszugehen, durchaus vergleichbar mit der Situation in einem Krieg. Es braucht somit ein intensives Aktionsprogramm – vergleichbar mit der „Anbauschlacht“ respektive dem Plan Wahlen in den Zeiten des zweiten Weltkriegs. Mögliche Massnahmen in einem solchen Programm:
    • Per sofort ist ein Importverbot zu erlassen für Autos, die mehr als 80 Gramm CO2 pro Kilometer Fahrstrecke ausstossen.
    • Es ist ein Klimaschutz-Sanierungsobligatorium für bestehende Bauten zu erlassen – möglichst viele Bauten müssen möglichst rasch mindestens Energieklasse B, besser sogar Energieklasse A erreichen (hier Details dazu).
    • Der Strassenraum in der Schweiz ist drastisch zu vermindern – per sofort steht beispielsweise auf allen Autobahnen in jeder Richtung nur noch eine Fahrspur zur Verfügung.
    • Die Schweiz muss endlich loskommen von ihrem massiv übergrossen ökologischen Fussabdruck. Abschied nehmen von der Verschwendung, schlägt der (Kirchen-)Ethiker Otto Schäfer vor. Vom Neid zum Glück nach den Ausführungen von Bastien Girod ist angesagt. Dazu braucht es ein Investitions- und Impulsprogramm für den Kopf (und die Seele). Das BIP ist abzulösen durch eine Kennzahl, die Aussagen macht zum durchschnittlichen Wohlbefinden und zu den „Ausreissern“.
    • Nach den offensichtlichen Schwierigkeiten mit den Sozialversicherungen von AHV über Pensionskassen bis zur IV sind endlich ernsthafte Diskussionen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle zu führen.

Es ist festzuhalten: der Mensch gemachte Klimawandel ist nur ein Teil der Motivation für dringliches Handeln. Und die Atomenergie, auch als Kernenergie bekannt, ist keine Klimaschutz-Handlungsoption!


Gefordert ist letztlich jede und jeder: LOVOS (Lifestyle of voluntary simplicity) – der Wechsel zu einem Lebensstil der freiwilligen Einfachheit ist in Ländern wie der Schweiz mit einem übermässig grossen ökologischen Fussabdruck zwingend!

Nur so können aus den (hoffentlich farbigen) Luftballons von Cancún, aus den schönen Worten und hehren Absichten, aus den Träumen und Hoffnungen der Menschen an den Verhandlungstischen Wege zu einer zukunftsfähigen Welt eingeschlagen werden, etwa Richtung 2000-Watt-Gesellschaft!