Vier ist weniger als eine

Vier oder eine Glasfaser pro Haus? Einmal mehr stellt sich die Frage nach der Zweckmässigkeit im Infrastruktur-Wettbewerb. Macht es wirklich Sinn, jedes Gebäude mit vier Glasfasern auszurüsten, damit ein Marktgerangel stattfinden kann?

Irgendwann kam jemand auf die blöde Idee, dass sich klassische Monopolsituationen für den Markt, also Konkurrenz im Interesse der Gierigen, eignen könnte. Einen Stromanschluss braucht jedes Haus, jede Wohnung, einen Kommunikationsanschluss trotz Handy-Zeitalter auch. Ebenso sind Wasser- und Abwasseranschlüsse erforderlich. Dahinter stehen teure Infrastrukturen. Es ist offensichtlich, dass es weder volks- noch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, solche feinverästelten Netze mehrfach in jedes Haus, in jede Wohnung, in jedes Büro zu führen.

Bei der Diskussion um Glasfaserleitungen ist diese Vernunft abhanden gekommen – da wollen sich wieder einmal trötzelnde Unternehmensbosse mit satten Boni gegen die öffentlichen Interessen und die Anliegen der KonsumentInnen durchsetzen. Der absurde Infrastruktur-Wettbewerb soll bis ins Wohnzimmer hinein stattfinden: werden vier Glasfasern in jedes Haus gezogen, heisst dies, dass vier hausinterne parallele Kommunikationsinfrastrukturen aufgebaut werden. Es braucht die jeweiligen Endgeräte zur Umsetzung des Lichtleitersignals auf die hausinternen Leitungssysteme, und dies viermal: es könnte ja sein, dass die MieterInnen eines Hauses all die unterschiedlichen Konkurrenzangebote nutzen wollen. Wenn von den Unternehmen behauptet wird, man verzichte auf den parallelen Bau von Glasfasernetzen, so ist dies nur zum Teil richtig – dass man sich auf gemeinsame Steckertypen hat einigen können, zeigt, wie absurd dieser Infrastrukturwettbewerb ist.

Eine der Nebenfolgen dieser unsinnigen Marktkonkurrenz: in immer mehr Bereichen müssen sich die KonsumentInnen Gedanken darüber machen, welches wohl das für sie passendste Angebot ist. Abgesehen von allfälligen Marketingaktionen ist die Situation klar: da sämtliche MitbewerberInnen letztlich sehr ähnliche Kosten haben, unterscheiden sich unter dem Strich die einzelnen Angebote nur geringfügig – und es geht beim ganz normalen Konsum dieser Dienstleistungen über sehr kleine Geldbeträge. Selbst Menschen, die grundsätzlich mit dem aktuell genutzten Angebot zufrieden sind, werden durch diesen Marktirrsinn gezwungen, ihre geistige Kapazität für unsinnige Produktevergleiche zu nutzen – der Markt will offenbar die Menschen daran hindern, sich mit den realen Fragestellungen des Alltags und der Zukunft zu beschäftigen: jede Sekunde, die rund um Entscheide zwischen Konkurrenzangeboten benötigt wird, fehlt beispielsweise bei der Umsetzung von Kliamschutzmassnahmen im persönlichen Bereich! Es ist geradezu lächerlich, wie etwa KonsumentInnenzeitschriften diese minimalen Differenzen mit hochgradig unvollständigen Kostenvergleichen hochjubeln.

Vergessen gehen etwa ökologische und soziale Kriterien. Beim Strom beispielsweise ist die Produktionsweise des Stroms zentral für die ökologischen Auswirkungen des Stromverbrauchs – es gibt ausreichend Beispiele, die zeigen, dass wenige Zehntelsrappen mehr pro Kilowattstunde zu einer deutlichen Oekologisierung des Stromkonsums führen können, weil dadurch der Wechsel vom fragwürdigen Atomstrom zu Strom aus erneuerbaren Quellen stattfindet. Auch soziale Aspekte können beachtliche Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben, die Imageschwierigkeiten von Cablecom oder die Selbsttötungs-Serie bei France Télécom wegen verschlechtertem Betriebsklima als Hinweise.

Es ist zu hoffen, dass gerade auch bei den KonsumentInnen und PolitikerInnen endlich eine Neubeurteilung der Situation erfolgt – und der Markt auf sinnvolle und notwendige Bereiche reduziert wird. Es gibt erste Anzeichen: Die Stimmberechtigten der Stadt Zürich haben beispielsweise entschieden, das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich nicht aus der Stadtverwaltung auszugliedern. Nicht nur Marktlogik soll das ewz beeinflussen, sondern zuerst die übergeordneten (energie-)politischen Zielsetzungen. Darum bietet beispielsweise das ewz als Standardprodukt Ökostrom an – wer andere Qualitäten will, muss selber aktiv werden, wer damit zufrieden ist, muss sich nicht darum kümmern.

Vier Glasfasern sind also letztlich deutlich weniger als nur eine Glasfaser!