Verkehrs-Richtplan Kanton Zürich: verkehrt!

Von Anfang Mai bis Ende Juni 2005 können Zürcherinnen und Zürcher am der Teilrevision des kantonalen Richtplanes im Teilbereich Verkehr mitwirken. Die Mitwirkung kann sogar über das Internet erfolgen!

In den letzten Jahren ist die Erkenntnis gewachsen, dass im Verkehrsbereich einiges schief läuft. Auch wenn beispielsweise die vielfältigen negativen Folgen insbesondere des motorisierten Strassenverkehrs (auch als motorisierter Individualverkehr, kurz „MIEF“ sorry „MIV“ bezeichnet) längst bekannt sind, setzt die offizielle Verkehrspolitik nach wie vor auf das Auto, also genau die Politik, die in den letzten rund 50 Jahren zu den allseits bekannten Problemen geführt hat. Zu einer solchen Strategie sagte vor langer Zeit Albert Einstein: „Probleme lassen sich nicht mit den Denkweisen lösen, die zu ihnen geführt haben“.

Ein gewichtiger Negativaspekt des motorisierten Strassenverkehrs ist die Umweltbelastung. Der Verkehrsrichtplan des Kantons Zürich verlangt allerdings bloss, dass die Auswirkungen auf die Umweltqualität aufgezeigt und bewertet werden und dass die Regierung ein Controlling führt. Umweltvorsorge wird zwar erwähnt, weil dieser Begriff nicht konkretisiert wird, verkommt einmal mehr ein zentraler Wert der umweltpolitik zur leeren Worthülse. So soll beispielsweise die „umweltverträgliche Nutzung des Strassennetzes“ ausschliesslich mit organisatorischen Massnahmen umgesetzt werden, beispielsweise mit einer Entlastung der Wohngebiete (dabei hat fast jedes Fahrzeug ein Wohngebiet als Ausgangs- oder Zielpunkt), der Führung des Durchgangsverkehrs auf dem übergeordneten Strassennetz (siehe vorn), die Schaffung von Stauräumen ausserhalb von empfindlichen Gebieten (empfindlich für wen oder was?) oder die Bevorzugung des Strassengebundenen öffentlichen Verkehrs.

Eine im Bezug auf die Umweltqualität wirksame Umweltvorsorge verlangt zwingend eine andere Verkehrspolitik. „Um die Mobilität zu erhalten, muss der Verkehr vermindert werden“, sagt Udo J. Becker, Verkehrsökologe aus Dresden.

  • Die Verkehrspolitik ist an den Bedürfnissen der Wohnenden (und Arbeitenden) und nicht an den Bedürfnissen der Verkehrsteilnehmenden auszurichten.
  • Es ist ein aktives Verkehrssparen einzuführen.
  • Dringlich ist die Einführung einer Lenkungsabgabe auf Treibstoffen, z.B. als erster Schritt die CO2-Abgabe.
  • Sowohl ein grosser Anteil des bisherigen Verkehrsvolumens als auch eine allfällige Zunahme des Verkehrsvolumens ist durch den öffentlichen Verkehr, den Veloverkehr und den Fussverkehr abzudecken.
  • Auch wenn bereits heute ein sehr grosser Anteil der Verkehrsbedürfnisse durch wesentlich umweltverträglichere Verkehrsformen als das Auto abgedeckt werden können, ist das Auto zumindest kurzfristig nicht wegzudenken. Als Alternative zum privaten Motorfahrzeugbesitz sind Nutzungsformen wie Mobility konsequent zu fördern und zu fordern.
    Die Verkehrspolitik wird hauptsächlich geprägt durch die Tatsache, dass sehr viele Menschen – ob gezwungen, ob freiwillig ist nicht massgeblich – ein sehr teures Auto in der Nähe der Wohnungstür zur Verfügung haben. Eine riesige Investition mit enormen Fixkosten: diese Tatsache ist bei Volksabstimmungen relevanter als jedes rationale Argument, egal aus welchem Fachbereich. Dieser Sachzwang kann aufgebrochen werden, wenn anstelle des Autos im Privatbesitz vermehrt Mobility-Fahrzeuge genutzt werden.
  • Da bereits heute (nicht nur im Kanton Zürich) beste Verkehrsmöglichkeiten ohne Auto vorhanden sind, beruht die Wahl des Autos in den meisten Fällen also auf einer absichtlichen Verkehrsmittelwahl, inklusive der damit verbundenen Nebeneffekte, beispielsweise Stau-Situationen. Gelegentlich werden Staukosten berechnet. Im Gegensatz zu sehr vielen ökologischen Auswirkungen sind die Staukosten bereits in den Benutzungskosten internalisiert, es entstehen also keine externen oder volkswirtschaftlichen Kosten, die nicht durch die Verursachenden getragen werden.

    Konsequenz daraus: Stau-Situationen sind von den Verkehrsteilnehmenden akzeptiert – zukünftig sollte auf die Thematisierung des Staus verzichtet werden. Staumeldungen am Radio, übers Internet oder Internet sollten daher vorteilhaft unterbleiben. Die negativen Auswirkungen des Autoverkehrs sind derart erheblich, dass sämtliche Zuwendung an im Stau Stehende, sowohl auf der Informationsebene oder in der Verkehrspolitik, grundsätzlich nicht angezeigt sind. Stau ist Ausdruck einer verkehrten Verkehrspolitik: Stau ist ein Symptom und darf nicht als Verkehrspolitik-Motivation missbraucht werden.

    Selbst das Umweltschutzargument – auch im Stau stehende Fahrzeuge belasten die Umwelt – taugt nicht als Argument in der Verkehrspolitik: da es andere, wesentlich umweltfreundlichere Verkehrsmittel als das Auto gibt, und der Stau von den Verkehrsteilnehmenden aufgrund der Verkehrsmittelwahl akzeptiert wird, liegt die Verantwortung für allfällige über die bereits übermässige Umweltbelastung hinausgehenden (Umwelt-)Zusatzbelastungen von Staus ausschliesslich bei den Verkehrsteilnehmenden.

  • Die Strassenverkehrsflächen sind ab sofort deutlich zu vermindern.

P.S. Zur Illustration der ökologischen Untauglichkeit des verkehrten „Verkehrsrichtplanes“: Begriffe wie „Luftschadstoff“, „Treibhauseffekt“ oder „CO2“ kommen schlicht nicht vor.


Die Arbeitsgruppe Zürich Nord und der VCS Zürich haben ein „Weissbuch Strassenbau“ für die Region Zürich-Nord 2005-2025 als Stellungnahme zur Revision des Teilrichtplans Verkehr des Kantons Zürich erarbeitet – eine sehr gute Grundlage für individuelle Stellungnahmen im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens (bis zum 30. Juni 2005).