Trotz Finanzkrise: Auch die Steuerehrlichkeit braucht zwingend Rechtsstaatlichkeit

Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass «Gaunerstaaten» wie die USA mit absurden Argumenten für Steuerehrlichkeit sorgen wollen. Eines dieser Absurdargumente ist das Spiel mit grossen Zahlen. Dies zeigt sich aktuell wieder am Beispiel Griechenland.

Steuerehrlichkeit ist ein wichtiges Prinzip. Dafür darf aber nicht der Rechtsstaat ausser Kraft gesetzt werden, insbesondere ist das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu wahren.

Nach einem Tamedia-Artikel vom 20.3.2015 1.45 Mia CHF haben GriechInnen bei schweizerischen Banken und Treuhändern deponiert. Ein Teil davon gilt als unversteuert. In einem Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung; immerhin ist wieder einmal darauf hinzuweisen, dass in der EU freier Kapital- und Zahlungsverkehr als eine der vier Grundfreiheiten gilt. Somit ist nicht automatisch jedes Auslandguthaben nicht versteuertes Einkommen und/oder Vermögen. Auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras spricht unter Verletzung der Unschuldsvermutung ausschliesslich von Steuerfluchtgeld.

Interessanterweise haben etwa ja die Steuerehrlichkeits-Gaunerstaaten USA und Deutschland sehr viel Wind gemacht und die Schweiz in krimineller Art und Weise bedrängt, zum Beispiel Daten herauszugeben. Steuerehrlichkeit ist zwingend auf Transparenz angewiesen – es wäre sehr nützlich zu wissen, wie es genau mit der Steuerehrlichkeitsquote bei diesen unter zweifelhaften Umständen zur Verfügung stehenden Daten steht.

Am Beispiel USA ist aufgrund der Zahlen, die in Medienartikeln genannt wurden, davon auszugehen, dass bei etwa 0.25 Promille der Steuerpflichtigen wegen den Auslandsvermögen nachweislich Steuerhinterziehung bestanden hat. Auch wenn zur Vermeidung der Verharmlosung der Thematik eine Dunkelziffer mit Faktor 20 angenommen wird, wären demnach etwa 5 Promille der Steuerpflichtigen steuerunehrlich. Im Sinne einer Vereinfachung dürften rund die Hälfte der Bewohnenden eines Landes steuerpflichtig sein, bei etwa 11 Millionen Einwohnenden in Griechenland sind dies rund 5.5 Millionen Steuerpflichtige. Die 5 Promille Steuerunehrlichkeitsdunkelziffer würde zu 27’500 Steuerpflichtigen führen. Werden die oben erwähnten 1.45 Mia Vermögen von GriechInnen in der Schweiz auf diese Steuerpflichtigen verteilt, ergibt sich ein mittleres Guthaben dieser GriechInnen in der Schweiz von rund 53’000 CHF. Vermögen wird in der Schweiz mit einem Steuersatz von maximal 3 Promille versteuert, das wären also 159 CHF Vermögenssteuer pro Jahr für ein solches durchschnittliches Vermögen, oder 4.35 Mio CHF pro Jahr für alle griechischen Privatvermögen in der Schweiz. Solche Steuerbeträge sind kaum Anlass für eine Steuerhinterziehung.

Wie derartige Beträge dazu beitragen sollen, die Schulden von Griechenland von über 400 Mia Euro erstens abzubauen und zweitens nachfolgend nicht mehr entstehen zu lassen, ist nicht nachzuvollziehen, selbst dann, wenn noch die Möglichkeit von um Faktoren höhere Nach- und Strafsteuern in die Überlegungen einbezogen werden. Solche Nach- und Strafsteuern wären zudem ein einmaliger Vorgang, der allenfalls zur Verminderung der Schulden beiträgt, nicht aber zur dauerhaften Staatsfinanzierung.

Es führt nichts daran vorbei: Die diversen Finanzkrisen zeigen sehr deutlich, dass wir sehr weit von einer nachhaltigen Entwicklung entfernt sind, selbst in der Nachhaltigkeits-Schale Ökonomie.

Letztlich sind alle Steuerehrlichkeitsdebatten substanzlose Populistik und lenken davon ab, dass nicht nur Staaten endlich eine nachhaltige Finanzpolitik brauchen.