tamedia: Kleine Zahlen gross aufgeblasen

Medien haben faktengerecht zu informieren. Insbesondere die tamedia-Medien halten sich regelmässig nicht an diesen zentralen Grundsatz. Als ein weiteres Beispiel: die Berichterstattung von tamedia über das Beschaffungscontrolling 2013 des Bundes. Oder: Wie aus 10 Prozent eine Staatsaffäre konstruiert wird.

Teile der Wirtschaft, insbesondere deren weit in der Geschichte verhafteten Verbände, sind jeglichen staatlichen Tätigkeiten gegenüber kritisch eingestellt. Gleichzeitig sind viele Firmen auf Aufträge der öffentliche Hand existenziell angewiesen. Darum ist das öffentliche Beschaffungswesen streng reglementiert.

Da gibt es etwa das BöB, das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen, mit zugehöriger Verordnung und regelmässigen Anpassungen.

Aufträge für über eine halbe Milliarde freihändig vergeben„, titelt tamedia am 20.9.2014. Nun, über eine halbe Milliarde ist viel Geld. Bloss: 2013 hat die zentrale Bundesverwaltung in 22 Beschaffungskategorien Beschaffungen im Wert von 5.309 Milliarden Franken vorgenommen.

Diese halbe Milliarde freihändiger Vergaben macht etwa 10 Prozent des gesamten Beschaffungsvolumens der zentralen Bundesverwaltung aus. Bezeichnenderweise fehlt die Angabe der gesamten Beschaffungssumme im tamedia-Artikel – würde diese Zahl nämlich im Artikel mit veröffentlicht, würde schnell klar, dass da tamedia versucht, aus einer kleinen Zahl eine grosse Sache zu machen. Im Übrigen: die Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) enthält elf Literas mit Gründen, bei denen eine freihändige Vergabe auch über den Schwellenwerten gemäss Verordnung des WBF über die Anpassung der Schwellenwerte im öffentlichen Beschaffungswesen für die Jahre 2014 und 2015 möglich ist. Der Gesetzgeber lässt freihändige Beschaffungen mit zahlreichen Begründungen zu. tamedia suggeriert allerdings, dass bei diesen freihändigen Beschaffungen Bestechung und Korruption der Standard sei, ohne nur den Hauch eines Beweises zu liefern. Die Reaktionen im digitalen SVP-Stammtisch (als Kommentare bezeichnet) bestätigen, dass diese Botschaft angekommen ist.

Eine faktengerechte Information von tamedia hätte darin bestanden, mitzuteilen, dass 90 % des Beschaffungsvolumens nicht freihändig erfolgen, also nach einem strikten Ausschreibungsverfahren (welches regelmässig zu unsinnigen gerichtlichen Auseinandersetzungen führt). Nur bei etwa 10 % des Beschaffungsvolumens wäre – wenn dies als Problem wahrgenommen wird – allenfalls die Transparenz zu verbessern. Nur: Damit lassen sich keine Schlagzeilen schreiben!

Erste Fassung: 20.9.2014 (mit inzwischen korrigiertem Interpretationsfehler Daten des Bundes)