Ständeratswahlen in Zürich und St. Gallen: Signal für Veränderungen im Bundesrat

Nicht Ueli Maurer, der am Abend des ersten Wahlganges von den Medien als schon fast gewählter Ständerat bezeichnet wurde, sondern die „Aussenseiterin“ Verena Diener hat beim zweiten Wahlgang den Schritt in den Ständerat geschafft.

Auch in St. Gallen hat der SVP-Star Toni Brunner die Wahl in den Ständerat nicht erreicht. Die beiden SVP-Lautsprecher Brunner und Maurer haben es also nicht geschafft, deutlich über die Grenzen ihrer Partei hinaus Stimmen zu sammeln. Im Kanton Zürich ist dies insbesondere auch eine Absage an den Rechtsaussen-Flügel der FDP, mit den NationalrätInnen Doris Fiala und Filippo Leutenegger. Die WählerInnen entscheiden also regelmässig nicht nach Parteimitgliedschaft, sondern eben auch noch mit Kopf und Herz – das gilt auch für die SP, zum Beispiel in der Stadt Zürich, die nicht ihrem Parteipräsidenten Koni Löpfe gefolgt ist. Es wird spannend sein, was die neu erstarkte Mitte aus CVP, EVP und Grünliberalen in Bern anstellen kann und will.

Dieses abschliessende Wahlwochen-Ende hat eines gezeigt: die Mehrheit der Wählenden kann mit der SVP nicht viel anfangen. Dies müsste eigentlich ein Fingerzeig sein für die Bundesratswahlen. Die Wählenden in der Schweiz haben entschieden, dass keine der Parteien ihre KandidatInnen für den Bundesrat auch wirklich wählen kann – sämtliche Parteien, auch die ach so grosse SVP, sind auf Unterstützung durch andere Parteien angewiesen.

Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, mit dieser Vorgabe umzugehen, eine traditionelle und eine unkonventionelle:

  1. Traditionell: Es werden solange der Stärke nach Parteien aufgehäufelt, bis sich eine Mehrheit ergibt. Dann bleibt der Bundesrat, wie er ist: geheimplan-geplagt, von Eigeninteressen geprägt, ohne zukunftsgerichtete Visionen, geprägt durch einen autokratischen Milliardär. Das nennt sich Konkordanz.
  2. Unkonventionell: Es wird nach einer allenfalls auch knappen Mehrheit gesucht, die über ein Minimum an Konsens in zentralen Fragen verfügt (Themen z.B. Klimaschutz, Sicherheitspolitik, Aussenpolitik, …). Eine solche Mehrheit kann auch ohne die wählerstärkste Partei zustande kommen – die SVP würde dann den Versuch machen, als Oppositionsgruppe zu funktionieren (was kaum einen grossen Unterschied zur aktuellen SVP-Politik ausmachen würde).

Der Wechsel zu einer unkonventionellen Mehrheit würde der Schweiz mit Sicherheit besser tun als die traditionelle Konkordanz-Mehrheit. Bringen es wohl die gwählten ParlamentarierInnen zustande, eine Exekutive zu wählen, die etwas anderes macht, als die finanziellen Interessen eine Milliardärs zur Hauptaufgabe der nationalen Politik zu machen? Es wird immer behauptet, die vereinigte Bundesversammlung sei die höchste Instanz der Schweiz (stimmt im übrigen nicht, dies trifft ausschliesslich für die Summe aller Stimmberechtigten zu). Aber als direkt von den Stimmberechtigten beauftragte Vertretung hat das Parlament die politische Verantwortung in diesem Land zu übernehmen – und darf sich nicht einmal von den lärmigen Vertretern der grössten Partei befehlen lassen, welche KandidatInnen dieser Partei das Parlament gezwungenermassen zu akzeptieren hat (von „Wahl“ kann und darf dabei nicht gesprochen werden). Auch die grösste Partei hat die Demokratie zu respektieren, und die verlangt, dass Mitglieder des Parlaments grundsätzlich ohne Instruktionen abstimmen.

Deshalb: am 12. Dezember 2007 zeigt sich, wer in diesem Land das Sagen hat. Sind es die unflätigen VertreterInnen der grössten Partei (die allerdings immer noch eine Minderheitenpartei ist) – oder wird die Verfassung respektiert, womit sämtliche Mitglieder des Parlaments frei nach ihrem Wissen und Gewissen entscheiden, wählen können!