Sinn und Ostrom

„Ökonomie“ hat zwar einige wissenschaftliche Ansätze, hat aber letztlich eine gewisse Verwandschaft mit der Astrologie. Schlicht darum, weil Menschen eben Menschen und nicht ökonomische Roboterwesen sind. Ökonomie hat somit einen hohen metaphysischen Anteil – die Glaubenskomponente bei der Ökonomie ist häufig als die wissenschaftliche Grundlage. Weil ÖkonomInnen viel wohlklingende Wortwatte verwenden, haben die Aussagen durchaus Horoskop-Charakter – man kann vieles hinein interpretieren. Dies heisst aber auch: Ökonomie hat nur einen begrenzten Nutzen für den Alltag! Beispiel gefällig? Hier kommt es – es handelt von Herr Sinn und Frau Ostrom.

Professor Hans-Werner Sinn ist Präsident des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Er hat sich zu ökonomischen Fragen im Zusammenhang mit dem Umwelt- und dem Klimaschutz geäussert. Sein (einziges) Stichwort: weltweit. Er plädiert für Massnahmen, die auf der ganzen Welt GLEICHZEITIG durchgeführt werden, zum Beispiel einen globalen Emissionshandel. Spätestens nach Kopenhagen 2009 heisst dies: NIE! – oder zumindest sehr lange noch nicht. Die Begründung von Professor Sinn dazu: wenn man einen solchen Handel nur regional umsetzt, führt dies dazu, dass die lokal sinkende Nachfrage nach fossilen Brenn- und Treibstoffen den globalen Preis tendentiell vermindert, was somit andernorts die Preissignale auf „mehr Verbrauch“ stellt – und damit passiere genau das Gegenteil von dem, was man erreichen wolle. Der Vollständigkeit halber: Hans-Werner Sinn bezeichnet sich selbst als Ordoliberalen – der Staat bloss als Nachtwächter.

Professorin Elinor Ostrom ist Politikwissenschafterin, sie gilt als führende Umweltökonomin – ihr wurde 2009 der Wirtschaftsnoblpreis verliehen. Ihr zentrales Stichwort: gemeinsam. Ihre Arbeiten handeln vom Umgang der Menschen mit gemeinsamen knappen Gütern – Commons oder Allmende. Ihre Aussage zum Klimaschutz, beispielsweise anlässlich eines Vortrags an der TU Berlin im Juni 2010: Wir sollen nicht auf eine globale Lösung warten, und wir können auch nicht darauf warten. Sie betont insbesondere die Rolle der Städte – weil diese konkret zeigen, wie Klimaschutz in der Praxis funktioniert, siehe etwa die Stadt Zürich mit dem Gemeindebeschluss zur 2000-Watt-Gesellschaft . Ein entscheidender Faktor bei derartigen Entscheiden: Vertrauen! Und die lokal erprobten Massnahmen können dann immer grössere Kreise ziehen, lassen sich multiplizieren. Elinor Ostrom sagt, dass sie rasend werde, wenn sie sich vorstelle, dass wir nicht sofort handeln! Ein klares Plädoyer für „Globales Denken, lokales Handeln“ also!

Elinor Ostrom stützt ihre Aussagen auf die Beobachtung des Verhaltens von Menschen, Hans-Werner Sinn lässt sich von seinen ordoliberalen Grundsätzen leiten. Klar ist: die beiden Positionen sind absolut unverträglich – und beide stammen von intelligenten Menschen. Und doch geht es eben nicht um Wahrheit, um Beweise, sondern um Einschätzungen.

Nicht nur der Nobelpreis von Frau Ostrom bewegt mich dazu, das lokale Handeln anstelle des globalen Nichtstun zu bevorzugen. Denn: wenn ein lokaler Ansatz die erhoffte Wirkung bringt, stehen die Chancen gut, dass dieser Ansatz NachahmerInnen findet. Denn bekanntlich ist der Mensch Mensch – das Wissen um die Bedeutung der Commons, der Allmende hebt den Menschen deutlich vom ökonomisch gesteuerten Roboterwesen ab.