Rote Rosen, frische Fische, grüne Spargeln, …

Als ich am 13.4.2010 im Beitrag „Solar fliegen!“ schrieb, dass der heutige Luftverkehr nicht nachhaltig sei, hatte ich keine Ahnung, dass ein Vulkanausbruch auf Island nur wenige Tage später diese Aussage einmal mehr belegen würde. Das Problem dabei: der Gesellschaft wird unbegrenzte Verfügbarkeit – ohne Rücksichten auf irgend etwas – vorgegaukelt. Flugverkehr als Massentransportmittel – Menschen und Güter. Selbst leicht verderbliche Güter wie rote (und andersfarbige) Rosen, frische Fische und grüne Spargeln stehen jenen, die es sich leisten können und wollen, global und jederzeit zur Verfügung. Ausser ein isländischer Vulkan mit schwierig auszusprechendem Namen hinterlässt Aerosole in der Atmosphäre. Oder die internationalen Machtgames provozieren terroristische Aktivitäten, auch mit potentiellen Zielen im Luftverkehr. Oder der Rohölpreis macht Purzelbäume und macht die Transportkosten unberechenbar. Der Luftverkehr als fragiles Symbol der Nicht-Nachhaltigkeit des Lebensstils einer Gesellschaft mit einem übergrossen ökologischen Fussabdruck.

200 Mio Dollar entgegen der Luftfahrtindustrie, wenn sie einen Tag nicht fliegen kann, so die offenbar übereinstimmende Annahme verschiedener Quellen. 5 Tage Sperre des Luftraums wegen einer Naturgewalt macht also rund eine Milliarde Dollar aus – bei einem gesamteuropäischen BIP von etwa 18’000 Mia Dollar so etwas wie eine Aerosolspur in den volkswirtschaftlichen Buchhaltungen. Wenn nun also Verantwortliche von Fluggesellschaften nervös bis hysterisch auf die international abgestimmten und geregelten Luftraumsperren reagieren, ist dies möglicherweise auch ein Hinweis auf die ökonomisch prekäre Situation vieler Fluggesellschaften. In erster Linie geht es aber um das Verständnis der Luftfahrt in der öffentlichen Wahrnehmung. „Safety first“ ist zwar so etwas wie ein Glaubensbekenntnis nicht nur der Luftfahrtindustrie – aber eben nur „first“, nicht ausschliesslich. Eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die angebotenen Flüge auch tatsächlich stattfinden, ist von zentraler Bedeutung. Wer irgendwo auf der Welt Rosen produziert (dem Markt ist in der Regel egal unter welchen sozialen Bedingungen – „Fair trade“ und Bio sind also nur Einzel-Aspekte unter vielen), ist darauf angewiesen, dass die Transportkette funktioniert, damit nicht nur Welkes in die Läden kommt. Der Anbau von grünen Spargeln in Peru und Chile ist zwingend auf den Flugverkehr angewiesen, auch wenn „Flugspargeln“ sowohl ökologisch wie entwicklungspolitisch äusserst problematisch sind.

Wer einen Fernost-Ausflug zwischen Kommissionssitzung und Eishockey-Playoff-Finalspiel einplant, ist darauf angewiesen, dass der Verkehr, inklusive Luftverkehr, genau so funktioniert, wie es im Fahr- oder Flugplan ausgedruckt steht. Und wer mit viel Vorfreude Monate voraus eine Ferienreise mit vielen Verkehrsmitteln plant, erwartet berechtigterweise, dass selbst enge Zeitpläne klappen (selbst wenn es darum geht, in weniger als 2 Tagen um die Welt zu fliegen).

Sowohl im Personen- wie im Güterverkehr haben die Versprechungen der Luftfahrtindustrie Erwartungen ausgelöst. Um ja keine Fragen über diese Versprechungen auszulösen, darf es eigentlich gar keine (oder nur ganz kurze) Luftraumsperren geben – mehrere Tage kein Luftverkehr liegt schlicht nicht drin. Oder anders: aus dem Strassenwesen ist bekannt, dass das Verkehrschaos nach der Sperrung einer Strasse nur kurz andauert – und sich dann die Verkehrsteilnehmenden neu orientieren. Gerade für den nicht-nachhaltigen Flugverkehr ist es geradezu zwingend, dass dieser Umdenkprozess in Gang kommt.

Viele moderne Technologien – dazu gehört auch der Flugverkehr – erinnern fatal an den Zauberlehrling aus der Ballade von Johann Wolfgang von Goethe. Allerdings: der alles im Griff habende Meister, der die Geister, die der Lehrling rief, wieder in die Ecke weisen kann, gibt es in der aktuellen, sich aufgeklärt gebenden Gesellschaft nicht. Jede und jeder einzelne muss in dieser Situation eigenverantwortlich handeln – dazu gehört etwa, im Alltag und für spezielle Situationen dem nicht-nachhaltigen Flugverkehr einen möglichst geringen Stellenwert zukommen zu lassen. Selbst die ökologisch noch verträgliche Zahl von Flügen ist allerdings auch der „Willkür“ von Naturgewalten ausgesetzt.