Real existierender Wohnungsmarkt als Klimaschutzbremse?

Um Wohnungen und Büros komfortabel nutzen können, braucht es erhebliche Energiemengen für Raumheizung und Wassererwärmung. Meistens wird in der Schweiz diese Wärme von Heizungsanlagen, die mit Heizöl oder Erdgas betrieben werden, bereitgestellt. Das angenehm warme Wohnzimmer, die erfrischende Dusche, das komfortable Büro tragen somit erheblich zum Mensch gemachten Klimawandel bei. Um das Klima zu schützen, ist der Energieverbrauch von Bauten zu senken, und für Raumheizung und Wassererwärmung sind ausschliesslich nachhaltig genutzte erneuerbare Energien zu verwenden.

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, muss die energetische Qualität von Häusern verbessert werden. Wände und Dächer brauchen eine wärmedämmende Zusatzschicht, Fenster sind durch Wärmeschutzfenster zu ersetzen, auch Kellerdecke und Estrichboden können zum Wärmeschutz beitragen. Wird die Heizung ersetzt, kann neu eine Wärmepumpe, welche Aussenluft als Wärmequelle nutzt, eingebaut werden. Gut orientierte Dach- und auch Fassadenflächen können Sonnenenergie nutzen, sowohl für Wärme- als auch Stromproduktion. Bei den meisten Gebäuden kann ein vielfältiger Strauss von Massnahmen umgesetzt werden, um die anspruchsvollen Klimaschutzziele zu erreichen. Vieles davon gehört zum allgemeinen Fachwissen der Baufachpersonen. In der Stadt Zürich beispielsweise unterstützt das städtische Energie-Coaching Gebäudeeigentümerschaften bei den anspruchsvollen Klimaschutzvorhaben.

Vor den ersten Planungs- und Baumassnahmen müssen einige grundsätzliche Fragen beantwortet werden. Besteht eine grosse bauliche Ausnutzungsreserve und ist das Gebäude älter als 50 oder 60 Jahre, ist es vorteilhaft, das bestehende Gebäude abzubrechen und einen energetisch guten Neubau zu erstellen. Werden Solaranlagen auf das Dach montiert, ist es vorteilhaft, die schon lange gewünschte Dachaufstockung endlich zu realisieren. Ideal ist, wenn die Massnahmen aufeinander abgestimmt werden können.

Klimaschutzmassnahmen kosten, auch dann, wenn sie mit so oder so fälligen Erneuerungsmassnahmen kombiniert werden können, vielleicht ist ein neuer Verputz erforderlich oder wegen der Verkehrszunahme werden Schallschutzfenster eingebaut. Investitionen ins Gebäude sind aus ökonomischer Sicht herausfordernd: Das, was heute ausgegeben wird, wirkt sich während 30 oder mehr Jahren aus, betrifft also möglicherweise eine nächste Generation von Eigentümerschaften und Nutzenden.

In der Schweiz werden die meisten Wohn- und Nutzbauten als Mietobjekte genutzt. Es braucht einiges an Anstrengungen, um bei den zu beachtenden langen Zeiträumen eine faire Kostenverteilung auf Eigentümerschaften und Mietende zu erreichen. Üblicherweise gilt in der Schweiz das Prinzip der Marktmiete, das heisst, Mietverträge werden nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage abgeschlossen. Da allerdings das Angebot an Büro- und Arbeitsräumen nicht unbegrenzt ist, ist die Mietgesetzgebung zu einem beachtlichen Teil zum Schutz vor Marktmissbräuchen ausgestaltet.

Dies betrifft insbesondere den Umgang mit baulichen und technischen Erneuerungen. Es wird unterschieden nach werterhaltenden und wertvermehrenden Massnahmen. Nur die Kosten von wertvermehrenden Massnahmen können als Begründung für Mietzinsaufschläge herangezogen werden. Nach diesen Regeln gilt eine umfassende Erneuerung – wie sie etwa als Klimaschutzbeitrag erforderlich ist – zu 50 bis 70 Prozent als wertvermehrend. Dadurch ergeben sich teilweise erhebliche Mietzinsaufschläge, regelmässig Gegenstand von aufgeregten Berichterstattungen in den Medien. Studien des Bundesamtes für Wohnungswesen haben ergeben, dass der Mehrwertanteil bei einer grossen Zahl von Erneuerungsvorhaben deutlich kleiner ist, allerhöchstens 30 bis 50 Prozent. Die damit verbundene Forderung nach einer Verminderung der Mietzinserhöhung bei umfassenden Erneuerungen wird auch vom Mieterinnen- und Mieterverband unterstützt. Werterhaltende Massnahmen haben die Mieterinnen und Mieter bereits mit dem Mietzins während Jahren bezahlt; meist werden diese Gelder aber aus steuerlichen Gründen nicht auf einem ans Haus gebundenen Konto angelegt.

Diverse Untersuchungen haben ergeben, dass generell zu wenig in die Erneuerung der Bauten investiert wird. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssten jährlich zwei bis drei Prozent des Gebäudebestandes umfassend erneuert werden – für die gesamte Schweiz wird geschätzt, dass derzeit höchstens ein Prozent der Bauten so erneuert wird, wie es erforderlich wäre.

Welches wären wohl die Auswirkungen auf die Erneuerungsrate, wenn die Mietzins-Überwälzungssätze für umfassende Erneuerungen gesenkt würden?

Statistik Stadt Zürich hat die Erneuerungspraxis bei Wohnbauten in der Stadt Zürich innerhalb der letzten 15 Jahre untersucht. Demnach liegt die Erneuerungsrate bei etwa 1.5 Prozent pro Jahr, also leicht höher als im Mittel der Schweiz. In Zürich wurde allerdings etwa ein Sechstel der Wohnungen durch Neubauwohnungen ersetzt.

Erhellend wirkt eine der Detailanalyse zu den Eigentumsverhältnissen der erneuerten oder ersetzen Wohnungen, siehe nachfolgende Grafik. Demnach werden Wohnungen im Besitz der öffentlichen Hand und von Genossenschaften deutlich überdurchschnittlich erneuert. Eine beachtliche Erneuerungsquote weisen auch Wohnungen im Eigentum von privaten Gesellschaften auf. Deutlich weniger werden Wohnungen im Besitz von Privatpersonen und erst recht Eigentumswohnungen erneuert.

dyerware.com

Quelle: Statistik Stadt Zürich, Bauliche Erneuerung in Zahlen, 2016

Bei Wohnungen der öffentlichen Hand und von Genossenschaften gilt nicht die Markt-, sondern die Kostenmiete; diese als gemeinnützig erachtete Berechnungsform scheint also Erneuerungen zumindest aus finanzieller Sicht zu begünstigen. Auch private Gesellschaften, in der Regel professionell organisiert, können einigen Erneuerungserfolg vorweisen. Die finanziellen Aspekte der Gebäudebewirtschaftung scheinen bei Privatpersonen als Eigentümerschaften, egal ob Miete oder Stockwerkeigentum, nicht wirklich im Griff zu sein. Es fehlen nur schon die Rücklagen, um die werterhaltende Erneuerung finanzieren zu können.

Sollte nun der Gesetzgeber die Regeln für die Überwälzung der Kosten von umfassenden Erneuerungen auf die Mietzinsen so verändern, dass ein geringerer Anteil der Kosten als wertvermehrend gilt, ist davon auszugehen, dass die Erneuerungsquote zum Teil drastisch sinkt, was die Erreichung der Klimaschutzziele erheblich gefährdet.

Um den Klimaschutz voranzubringen, sind diverse politische Schritte angezeigt, etwa der Wechsel zur Kostenmiete bei allen Eigentumsformen, die Erhöhung des Genossenschaftsanteils oder die Möglichkeit zur gebäudegebundenen Reservebildung für die Finanzierung werterhaltender Massnahmen. Von grosser Bedeutung ist insbesondere eine Erhöhung der Energiekosten über eine kräftige, vollständig an Haushalte und Wirtschaft rückerstattete Energielenkungsabgabe.