Pestalozzi-Bibliothek Zürich PBZ

Die Stadtzürcher Quartierbibliotheken, am Beispiel Heuried – Wir bleiben dran: ausserordentliche Mitgliederversammlung am 31. Januar 2008!

Gegen Ende November 2006 wurde bekannt, dass die Pestalozzi-Bibliothek Heuried geschlossen werden solle. Dieser Schritt erfolgte Anfang Juni 2007 – trotz erheblicher Proteste aus dem Quartier. Die BewohnerInnen des riesigen Wohngebietes Friesenberg (Zürich Wiedikon) sind nun gezwungen, die Konsum-Shopping-Center-Bibliothek Sihlcity oder eine andere Bibliothek der Pestalozzi-Bibliothek Zürich PBZ zu nutzen – oder sie können auch auf die Nutzung einer Bibliothek verzichten.

Am 8. September 2007 haben Freiwillige – unter lauer Beteiligung der PBZ und der Stadt Zürich – in einem Teil der Räumlichkeiten der bisherigen Pestalozzi-Bibliothek Heuried die Schul- und Kinderbibliothek Heuried eröffnet. Der Betrieb einer öffentlichen Bibliothek auf Stadtgebiet mit Hilfe von Freiwilligen ist ein erheblicher Missbrauch des Freiwilligen-Prinzip. Zudem ist es zwar schön, dass Kinder und SchülerInnen wieder über eine Bibliothek im Quartier verfügen – es braucht aber so rasch als möglich eine vollständige Bibliothek für alle Altersgruppen im Quartier! Danke den Freiwilligen, dass sie sich dafür eingesetzen, dass in den Räumen der Pestalozzi-Bibliothek Heuried weiterhin Bücher und andere Medien stehen und ausgeliehen werden!

Ergänzung November 2007: Pro Bibliothek Heuried richtet für die erwachsenen LeserInnen im Quartier eine Krimi- und Roman-Bibliothek ein! Wer zu Hause bereits ausgelesene, aber noch gut erhaltene Krimis oder Romane hat, kann diese in einer Kiste in der Bibliothek oder im GZ abgeben. Daraus entsteht eine dauerhafte Bestandesbibliothek.


Rund um die Pestalozzi-Bibliotheken

Die Vorgänge um die Schliessung der Pestalozzi-Bibliothek haben einige interessante Aspekte an den Tag gebracht. Diese Seite dokumentiert das Umfeld der Pestalozzi-Bibliothek Zürich.

Trägerschaft der Pestalozzi-Bibliothek Zürich PBZ ist der Verein Pestalozzigesellschaft in Zürich. Mitglieder dieses Vereins sind nominell alle InhaberInnen einer Jahreskarte der Bibliothek, also alle jene, die regelmässig Medien bei der Bibliothek ausleihen.

Wichtigste Geldgeberin der Pestalozzi-Bibliothek Zürich PBZ ist die Stadt Zürich. Die generelle Ermächtigung zur Unterstützung einer Bibliothek ergibt sich aus Art. 74 lit. e der städtischen Gemeindeordnung:

Art. 74 Das Schul- und Sportdepartement umfasst:

…e) Förderung von Bibliotheken für Schule und Öffentlichkeit.

Der Gemeinderat der Stadt Zürich beschliesst regelmässig eine Beitragslimite, letztmals am 12.7.2006, stadträtliche Weisung zu diesem Geschäft.

Zitat daraus:

Diese Beitragslimite ist so zu verstehen, dass der PBZ dieser Beitrag zusteht (im Sinne eines Globalbudgets), sofern die PBZ ihren Auftrag, die Bibliotheken bestmöglichst zu führen, erfüllt. Wie bis anhin wird zwischen der PBZ und dem Schul- und Sport-Departement eine Vereinbarung für drei Jahre über die Art und Weise der Bibliotheksführung abgeschlossen, die – wie bis anhin – vom Stadtrat zu genehmigen ist.

Zum Zeitpunkt der Ankündigung der Schliessung der Pestalozzi-Bibliothek Heuried war Robert Kaeser (früher FDP-Gemeinderat im Stadtkreis 3) Präsident der Pestalozzigesellschaft in Zürich. Unmittelbar vor der Mitgliederversammlung des Vereins im Juni 2007 hat Herr Kaeser – ohne dass die Gründe nach aussen kommuniziert wurden – seinen sofortigen Rücktritt eingereicht. An einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung am 16. September 2007 wurde Rosemarie Berthoud, ebenfalls frühere FDP-Gemeinderätin (Stadtkreis 2) als neue Präsidentin gewählt, einstimmig, aber mit zahlreichen Enthaltungen! Warum wohl wieder eine VertreterIn der FDP?

Vorstand der Pestalozzigesellschaft in Zürich

Eine Durchsicht der Liste der Vorstandsmitglieder ist spannend:

  • Alfred Alig ist Fachreferent für Architektur, Landschaftsarchitektur, Raumplanung, Städtebau an der ETH-Bibliothek.
  • Susanne Bernasconi ist FDP-Kantonsrätin, gewählt in den Stadtkreisen 7 und 8 (mit Bezug zu Stadtrat Martin Vollenwyder, Vorsteher Finzanzdepartement).
  • Hansjürg Diener, auch er ein früherer FDP-Gemeinderat, Chef einer Baufirma, aktiv in verschiedenen Gremien, zum Beispiel Stiftungsrat PWG (Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigem Wohn- und Gewerberaum in der Stadt Zürich).
  • Dr. Eveline Fischer ist Abgeordnete des Stadtrates von Zürich.
  • Renate Fischer, SP, Kreisschulpflegerin, früher Mitglied der (unterdessen abgeschafften) Zentralschulpflege
  • Peter Huber
  • Stefan Hüsler (Delegierter des Personals)
  • Dr. Hermann Köstler, Direktor der Zentralbibliothek Zürich (Kantons-, Stadt- und Universitätsbibliothek), Erlenbach
  • Rolf Krämer, früher SP-Kantonsrat, bis Ende März 2002 Mitglied Bankpräsidium ZKB
  • Stadtrat Gerold Lauber, Vorsteher Schul- und Sportdepartement
  • Vizepräsidentin Romana Leuzinger, früher SP-Gemeinderätin, Präsidentin 2002/03, seit 2003 SP-Kantonsrätin
  • Priska Matt (Delegierte des Personals)
  • Brigitte Schnyder
  • Esther Weibel, SP-Gemeinderätin, Partnerin von Stadtrat Martin Waser (Vorsteher des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements der Stadt Zürich).

Festzustellen ist: die Pestalozzigesellschaft in Zürich ist geprägt durch sehr viele verdiente FDP- und SP-Mitglieder! Parteien, die sich doch eigentlich regelmässig für Eigeninitiative und kleinräumige Strukturen einsetzen – bei der Pestalozzi-Bibliothek Heuried einmal mehr massiv missachtet! In diesem Gremium fehlt zudem schlicht die Vertretung der Bibliotheks-NutzerInnen!

PBZ-Direktor, derzeit (und gemäss eigenen Angaben bis zum 29. Februar 2008) Christian Relly – sein Wirken ist derart prägend, dass selbst in den Statuten der Pestalozzigeselsellschaft in Zürich sein Name enthalten ist. Es ist zu hoffen, dass die neue Präsidentin der Pestalozzigesellschaft in Zürich, Rosemarie Berthoud zusammen mit der bereits gewählten neuen Direktorin Dr. Josephine Siegrist einen Neuanfang wagt, der den Quartierbibliotheken wieder mehr Gewicht zukommen lässt.

Die Statuten der Pestalozzigesellschaft in Zürich (neu Verein PBZ Pestalozzi-Bibliothek Zürich

Die früheren Statuten der Pestalozzigesellschaft in Zürich hielten in Paragraph 5 fest:

Die Geschäfte der Mitgliederversammlung sind:…d) Beschlussfassung über Fragen grundsätzlicher Bedeutung;.

Nachtrag 27.12.2012 Die neuen Statuten des Trägervereins sagen dazu nur noch: Beschlussfassung über die vom Vorstand der Mitgliederversammlung unterbreiteten Fragen. Da hat sich wieder ein Verein mehr von der Basisdemokratie entfernt und einem Vorstand mehr zu autokratischem Verhalten verholfen!

Masterplan

Der Masterplan (Nachtrag 2012: nicht mehr im Internet verfügbar) der Pestalozzi-Bibliothek Zürich PBZ regelt solche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, wird doch darin das Bibliotheken-Netz in der Stadt Zürich definiert.

Erarbeitet wurde dieses Dokument – wen überrascht es – von PBZ-Direktor Christian Relly. Verabschiedet wurde dieses Papier – unter Umgehehung der Mitgliederversammlung – am 2.11.2006, also unmittelbar vor der Bekanntgabe der Schliessung der Pestalozzi-Bibliothek Heuried, durch den Vorstand der Pestalozzigesellschaft in Zürich. Hier wurden wesentliche Elemente der Vereinsdemokratie missachtet; es ist davon auszugehen, dass dieser Vorstandsentscheid grundsätzlich nichtig ist.

Antrag für eine ausserordentliche Migliederversammlung

Einige QuartierbewohnerInnen, aktive BenutzerInnen der ehemaligen Bibliothek Heuried, mit direkten Verbindungen zum Verein Pro Bibliothek Heuried, verlangen mit Brief vom 8. September 2007 eine ausserordentliche Mitgliederversammlung. Zu beratenden ist über den Antrag dieser Gruppe:

Der Masterplan vom 2.11.2006 ist zu überarbeiten und der Mitgliederversammlung so rasch als möglich zum Entscheid vorzulegen.

Der überarbeitete Masterplan hat zu gewährleisten, dass mindestens an den vor dem 2.11.2006 bestehenden Bibliotheksstandorten (ohne Enge) festgehalten wird.

Diese ausserordentliche Mitgliederversammlung wurde vom Vorstand der Pestalozzigesellschaft in Zürich auf Donnerstag, 31. Januar 2008, 18 Uhr, in den Räumen der Zentralbibliothek Zürich an der Zähringerstrasse 6, Vortragssaal im UG in Zürich angesetzt. Unbedingt beachten: Stimmberechtigt ist an dieser Versammlung nur, wer eine gültige Jahreskarte der PBZ vorweisen kann!

Inserat ao Mitgliederversammlung Pestalozzigesellschaft 31.1.2008

Erst am späteren Abend am Freitag, 11. Januar 08 wurde im Internet der Pestalozzi-Bibliothek – nicht etwa unter Trägerverein, sondern unter „Veranstaltungen“ – die Stellungnahme des Vorstandes (nicht mehr verfügbar) publiziert.

Mit der Aussage „Dieser (der Antrag der Mitglieder, Anm twp) stellt die einstimmig verabschiedete Strategie von Vorstand und Geschäftsleitung in Frage“ bestätigt der Vorstand, dass er dieses Geschäft – mit Sicherheit eine Frage von grundlegender Bedeutung – entgegen den Statuten nicht der Mitgliederversammlung vorgelegt hat.

Wenn der Vorstand behauptet: Die Gruppe möchte zum alten Status zurückkehren und die erfolgte Zusammenlegung der Bibliotheken Heuried und Enge in Sihlcity rückgängig machen, so hat er schlicht den Antrag der Gruppe nicht gelesen. Dort heisst es nämlich: Der überarbeitete Masterplan hat zu gewährleisten, dass mindestens an den vor dem 2.11.2006 bestehenden Bibliotheksstandorten (ohne Enge) festgehalten wird. Die Gruppe besteht also nicht auf dem Standort Enge, und lässt mit dem Wörtchen mindestens auch weitere Standorte (wie z.B. Sihlcity) zu!

Die Entwicklung der Ausleihzahlen ist zwar spannend, hat aber nichts mit der Frage zu tun, ob es auch weiterhin im Gemeinschaftszentrum Heuried eine vollständige Pestalozzibibliothek braucht.

Es brauchte eine kräftige Intervention, bevor sich der Vorstand überhaupt dazu bequemte, nur schon den Wortlaut des Antrages für die ausserordentliche Mitgliederversammlung zu veröffentlichen. Weiterhin hält der Vorstand, trotz ausdrücklich anderslautenden Anträgen, an den Falschaussagen fest.

Zu dieser ausserordentlichen Mitgliederversammlung gibt es eine Medienmitteilung der Interessen-Gemeinschaft Pestalozzi-Bibliotheken ins Quartier! – hier

Leitbild

Darin gibt es sehr interessante Textpassagen:

Die Bibliotheken der PBZ sind Treffpunkte im Quartier und geben Raum für Quartierkultur, Quartierinformation, persönliche Begegnung und Musse und fördern damit die Lebensqualität.

In der Ausrichtung ihres Angebots legt die PBZ besonderes Gewicht auf Kinder und Jugendliche. Dabei strebt sie die Zusammenarbeit mit Schulen und Gemeinschaftszentren an.

Die PBZ ist Teil des bibliothekarischen Angebots der Stadt. Sie zeichnet sich durch ihre Publikumsnähe aus…

Sie betreibt ein Bibliotheksnetz…

Diese Leitbild-Inhalte werden mit dem Masterplan in gröbster Art und Weise missachtet. Kein Wunder also, dass derzeit das Leitbild auf dem Internet der Pestalozzi-Bibliothek Zürich PBZ nicht verfügbar ist! Dank dem Internet gelang es, den aktuellen Wortlaut des Leitbildes zu rekonstruieren – siehe hier.

Politischer Vorstoss

Die Versuche, über die Vereinsdemokratie Einfluss auf die Erhaltung der Quartierbibliotheken in der Stadt Zürich zu nehmen, werden unterstützt durch einen dringlichen Vorstoss im Gemeinderat: Dr. Ueli Nagel (Grüne) und Daniel Leupi (Grüne) haben zusammen mit 5 Mitunterzeichnenden ein dringliches Postulat eingereicht, das die Erhaltung insbesondere der Bibliotheken Heuried und Enge oder die Erstellung von Alternativangeboten verlangt.


frühere Infos hier.

Erste Fassung 23.9.2007