Optimismus trotz zynischer Realsatire

«Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.» Dieser Spruch wird Albert Einstein zugeschrieben. Dazu passt eine Aussage von Mahatma Gandhi: «Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.» Im Buch «Warum die Sache schiefgeht» und dem Untertitel «Wie Egoisten, Hohlköpfe Psychopathen uns um die Zukunft bringen» kommt die Autorin Karen Duve zu ausgesprochen zynischen Schlussfolgerungen: Sie kommt zum Schluss, dass sie in dieser Menschheit keine Zukunft sieht und daher eine «Sinflut!» erwartet respektive geradezu herbeiwünscht – und auf eine zukünftige «Schöpfung ohne Intelligenz» oder «Intelligenz gepaart mit Sanftmut» setzt. Auch wenn ich angesichts der zynischen Realsatire der Realität solche Aussagen nachvollziehen kann, setzte ich nach wie vor auf Lernfähigkeit, Klugheit und Zukunftsgestaltungswillen dieser Menschheit, kurz, ich bin und bleibe Optimist.

Einsatzbereitschaft, Risikobereitschaft, Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen gelten als Qualitäten der «Einflussreichen und Mächtigen dieser Welt». Karen Duve zitiert Untersuchungen, wonach sich bei diesen «Einflussreichen und Mächtigen dieser Welt» die gleichen psychopathischen Muster nachweisen lassen wie bei Serienmördern. Somit ein wichtiger Ansatz: Anstelle der «Einflussreichen und Mächtigen dieser Welt» hat vermehrt wieder die Zivilgesellschaft mit dem von Wirtschafts-Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom betonten Allmende-Denken und -Handeln Verantwortung zu übernehmen.

Zur Realsatire gehören die Interpretationen von Helmut Willke, Professor für Global Governance an der Zeppelin Universität Friedrichshafen (und Autor des Buches «Demokratie in Zeiten der Konfusion»). Er spricht Demokratien Strategie- und langfristige Lernfähigkeit ab – und plädiert für diktatorische Modelle wie China. Es ist sicher so, dass Demokratien angesichts der Allmende-Herausforderungen kräftig zu verändern sind. Bei einem Interview mit Herrn Willke bei Tamedia zu seinem Buch wurde auch der Begriff der Schwarm-Intelligenz angeführt. Mir scheint allerdings, dass in den letzten 20 bis 30 Jahren in der Schweiz unter dem Einfluss der SVP eindeutig die Schwarm-Dummheit oder Vulgarität gefördert hat – zum Beispiel durch eine systematische Betonung der Sicht der SVP-RepräsentantInnen anstelle der Klug- und Weisheit der (unabhängigen) ExpertInnen. Zur Illustration: Im Rahmen Energieforschung Stadt Zürich wurde nach den Erfolgsfaktoren gelungener Gebäudeerneuerungen gesucht. Zwei der sechs ermittelten Erfolgsfaktoren beziehen sich auf Wissen: Einerseits müssen sich Bauherrschaften fachliches Know-how und fachliche Erfahrungen leicht beschaffen können, andererseits sind frühzeitig ExpertInnen und Fachleute mit in die Abläufe einzubeziehen. Der heute in der Politik durchaus übliche willkürliche Umgang mit Fakten liegt nicht mehr drin.

Zu diesen realsatirîschen Dummheiten gehören auch Aussagen etwa von Economiesuisse zu einem vorgeblichen «Preis» der Energiestrategie 2050. Derartige absurde Aussagen sind absolut wertlos ohne die Angabe des «Preisschildes» der Nicht-Energiestrategie. Interessanterweise wurde diese Economiesuisse-Dummheit in der gleichen Woche bekannt wie die Tatsachen rund um die nicht ausreichend vorhandenen Mittel für den Abbruch der bereits uralten AKW und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle. Dies weist durchaus auf Problematiken des vermehrten Einbezugs von ExpertInnen in die demokratischen Lernprozesse hin respektive auf die Frage nach der Definition der «Unabhängigkeit» von ExpertInnen (die Economiesuisse-ExponentInnen gehören allerdings nicht einmal in die Kategorie der ExpertInnen, schon gar nicht in jene der unabhängigen Expertinnen.

Ebenfalls eindeutig in die Kategorie der Dummheiten gehört der Versuch der FDP, das Parlament entgegen den klaren gesetzlichen Vorgaben zu einer Volksabstimmung über die Minimalmassnahmen der Energiestrategie 2050 obligatorisch abstimmen zu lassen. Der versuch, mittels einer Petition Druck auf das Parlament auszuüben, ist in realsatirischer Art und Weise missglückt. Wenn eine digitale Petition der FDP in den 23 Tagen zwischen Lancierung und Einreichung nur gerade 2724 UnterstützerInnen findet, dies bei immerhin 120’000 Partei-Mitgliedern, politisiert eine solche Partei schlicht im luftleeren Raum, mit Sicherheit also nicht schwarmintelligent und im Sinne der Allgemeinheit respektive der Allmende. Mit einem Rückhalt bei gerade 2 1/4 Prozent der Parteimitglieder dürfte sich auch ein Referendum gegen die bescheidenen Veränderungen der Energiestrategie 2050-Beschlüsse eher als fragwürdig erweisen.

Ich bin gerade angesichts des realsatirischen Charakters der Realität überzeugt davon, dass die zivilgesellschaftliche Schwarm-Intelligenz die Demokratie nutzt, um zukunftsgerichtete Veränderungen im Interesse der Allmende respektive der Allgemeinheit zu bewirken. Der «Sinflut!»-Ruf ist nicht angebracht – der Zynismus soll nicht über den Optimismus dominieren!