Null, vier, fünf, sechs, …? Wir brauchen ENDLICH eine Energiepolitik!

Zwar soll der Bundesrat erst am 18. April 2012 über einige Aspekte der Schweizerischen Energiepolitik nach Fukushima beraten – die Sonntagsmedien berichten allerdings bereits am 15. April darüber, und je nach Medium werden vier, fünf oder sechs neue Gaskraftwerke vermutet. Allen diesen Whistleblower-Zitaten ist gemeinsam, dass offenbar Frau Bundesrätin Doris Leuthard eine massive Ankurbelung der Subventionitis-Maschine vorschlagen wird. Oder anders: wenn es tatsächlich nach den Medienberichten geht, macht die Schweiz auch weiterhin keine Energiepolitik.

Schon in der Landwirtschaft war klar, dass Subventionitis nichts bringt – klüger wären und sind Direktzahlungen im Sinne von existenzsichernden Entschädigungen – zu Beispiel unter dem Titel gemeinnützige Leistungen.

Finanzielle Förderbeiträge haben anerkanntermassen keine oder allenfalls gar kontraproduktive Wirkung in der Energiepolitik – siehe das Zusammenwirken von Solaranlagenpreisen und KEV-Entschädigung. Subventionitis ersetzt nicht die Energiepolitik, sondern kann sie allenfalls in einzelnen Teilbereichen sanft beeinflussen.

Auch Gaskraftwerke haben nichts mit Energiepolitik zu tun – da geht es bestensfalls um Zückerchen für die Energiewirtschaft. Wenn es denn tatsächlich so ist, dass es in der bundesrätlichen Nicht-Energiepolitik vor allem um Subventionitis und Gaskraftwerke geht, ist dies zumindest für die politische Debatte eine kluge Sache – die Debatte verbeisst sich in die Gaskraftwerk-Frage, statt den zentralen und tatsächlich energiepolitisch relevanten Fragen nachzugehen. Im übrigen: mein Energiepolitikvorschlag liegt bereits seit dem 20. März 2011 vor: Nach-nuklear und nach-fossil: heute beginnen! Diverse Beiträge, insbesondere zur Abschaffung der Subventionswirtschaft, ergänzen diese nach wie vor gültige Argumentation. Ich werde an dieser Stelle verzichten, die diversen Aussagen nochmals zu wiederholen. Ganz einfach: Energiepolitik heisst, klar zu formulieren, welche Ziele verbindlich zu erreichen sind und die dazugehörigen Vorschriften einzuführen (ich bin ein Fan freiwilliger Lösungen – die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass nur ein zu kleiner Anteil der MarktteilnehmerInnen freiwillig die erforderlichen Beiträge leistet, selbst mit dem Angebot übermässiger Förderbeiträge).

Obwohl längst klar ist, dass auch bei einem Nicht-Ausstieg aus der Atomenergie die Energiekosten deutlich ansteigen werden, schaffen es die Medien und die Politik immer noch, zukünftige Mehrkosten ausschliesslich mit dem Atomausstieg in Verbindung zu bringen – da braucht es noch einen erheblichen Lernprozess von Gesellschaft, Politik und Medien.

Fazit: offenbar beabsichtigt Frau Bundesrätin Doris Leuthard, die energiewirtschaftliche Karte Atomkraftwerke zurück ins Spiel zu bringen – mit der offen gespielten ebenfalls energiewirtschaftlichen Karte „Gaskraftwerke“. Auf der Strecke bleibt einmal mehr eine ernsthafte nationale Energiepolitik.

P.S. Weisen wohl die unterschiedlichen Zahlen für Gaskraftwerke in den Sonntagsmedien auf einen gezielten Versuch des Bundesrates zur Ermittlung der Informationslecks in der Bundesverwaltung hin?


Hier die Wiederholung eines Rechenbeispiels zur energiepolitischen Einordnung von Gaskraftwerken:

  • Ausgangspunkt 100 Einheiten Erdgasverbrauch für die Beheizung von 100 Wohneinheiten
  • Effizienzmassnahmen am Gebäude: es verbleiben 33 1/3 Einheiten Erdgasverbrauch für die Beheizung der 100 Wohneinheiten
  • Dieses Gas wird mit einem Wirkungsgrad von 60 % zur Produktion von 20 Einheiten Strom verwendet.
  • Dezentral werden mittels Wärmepumpen aus diesen 20 Einheiten Strom 78 Einheiten Wärme bereitgestellt – damit lassen sich insgesamt 228 Wohneinheiten mit Wärme beliefern.
  • Für diese Wohneinheiten wurden ursprünglich 228 Einheiten Gas verwendet, neu nur noch 33 1/3 – der CO2-Ausstoss konnte auf 15 % des Ausgangswertes vermindert werden.

Ich halte fest: Gaskraftwerke (als GUD) sind eine energiewirtschaftliches Thema; die relativ geringen Investitionen, die relativ kurzen Nutzungszeiten können eine energiepolitisch nachvollziehbare Übergangslösung ermöglichen. Wenn eine solche als nötig erachtet wird (von der Energiewirtschaft, nicht von der Politik) können Gaskraftwerke energiepolitisch korrekt eingebunden werden – entweder auf dem hier vorgerechneten direkten Pfad oder über die ausschliessliche Inlandkompensation. P.S. Dezentrale Blockheizkraftwerke mit fossilen Treibstoffen sehen in der Gesamtbetrachtung wesentlich schlechter aus.

Die Alternativen zu Gaskraftwerken sind auch bekannt: Investitionen in z.B. Wind- und Sonnenstrom, allerdings überwiegend nicht in der Schweiz. Mit anderen Worten: entweder importiert die Schweiz Erdgas und verstromt dieses in Kraftwerken, die auf CH-Boden stehen – oder die Schweiz importiert Strom aus erneuerbaren Energien, welcher idealerweise von Anlagen produziert wird, in welche Firmen und/oder Einzelpersonen aus der Schweiz investiert haben. So viel zur Relativität der Auslandhängigkeit.

P.S. Wärmepumpen haben einen erheblichen Anteil der Wärmeversorgung zu übernehmen respektive sie lösen Erdgas- und Erdölheizungen aus technischer Sicht ab. Eine solare Vollwärmeversorgung ist insbesondere bei bestehenden Gebäuden und in Städten nur in Ausnahmefällen realisierbar.