Nuding und Anpassungsfähigkeit – Ursachen und Wirkungen

Der Postillion – nach Eigendeklaration Deutschlands grösste Satire-Zeitung der Welt – bringt ausschliesslich satirische Beiträge, durchaus jeweils mit starkem Bezug zur Realität, Realsatire eben. „Präventionskampagnen machen krank“ könnte ein typischer Titel von „Der Postillion“ sein. Dieser Titel steht allerdings über einem Beitrag im Politblog von Tamedia, verfasst von Claudia Blumer, Redaktorin Inlandressort Tages-Anzeiger. Da wird vorsätzlich Ursache und Wirkung vermischt.

Frau Blumer behauptet, die Thematisierung von Übergewicht führe bei den (aus ihrer Sicht gar nicht) Betroffenen zu Stress, welcher mit noch mehr Kalorienzufuhr kompensiert werde, was in der Folge das Körpergewicht noch mehr erhöhe. Insgesamt stellt Frau Blumer die Relevanz des Übergewichts in Frage.

Einer der ersten Kommentare zu diesem Blog fasst den aktuellen Wissensstand zusammen: Übergewicht ist eines der zentralen Probleme der Gesundheitssituation der westlichen Welt und verursacht Kosten, die Krebserkrankungen oder Kreislaufproblemen nicht nachstehen. In der Schweiz sind wir noch nicht so weit, aber vor allem das Übergewicht bei Kindern nimmt massiv zu. Der Beitrag der Autorin zeigt schonungslos, dass sie sich mit der Materie nur stammtischniveaukonform auseinandergesetzt hat. Ein anderer Kommentierer schreibt: Vor dem nächsten Politblog würde sich ein Faktencheck lohnen.

Nur: diese Stimmen sind in der Minderheit bei den KommentiererInnen. Es überwiegen jene, die die Stammtischklopferei von Frau Blumer, oder zeitgemässer Tea Party-Stil, übernehmen und die bekannten Stereotypen von digitalen Stammtischen bestätigenb – am treffensten zu charaktewrisieren mit „Ich bin der einzige Siebensich dieser Welt, alles andere sind Pumpen, unbrauchbar und haben eigentlich keine Existenzberechtigung“, vorgelebt unter anderem durch die Herren Blocher, Berlusconi, Butin, sorry Putin und Co.

Präventionskampagnen verstehen sich als Nudges, nach Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein geht es dabei darum, kluge Entscheide anzustossen. Es gibt – neben der Prävention von Übergewicht – viele weitere Themen aus dem individuellen Verhaltensbereich, die zumindest in einer ersten Runde über solche Nudges, Anstösse des sanften Paternalismus, funktionieren könnten. Ernährung, als ein Aspekt davon der Fleischanteil, Klimaschutz, Verkehrsverhalten und so weiter könnten hier genannt werden.

„Klugheit“ beschäftigte wahrscheinlich nicht erst die frühen griechischen Philosophen, nach Wikipedia geht es dabei um das Gute, das Zuträgliche, das Angemessene, und zwar in einer ethischen Dimension.

Wer sich gegen berechtigte Präventionskampagnen in Stammtischweise wehrt, lehnt die Klugheit als gesellschaftliche Tugend ab und ersetzt sie durch individuelle Willkür.