Nachhaltiger Verkehr: Kostenwahrheit und Verkehrssparen

Ist der ÖV 2000-Watt-fähig?, habe ich bereits vor einiger Zeit gefragt – geendet hat meine Antwort darauf mit einem Zitat von Udo J. Becker, Verkehrsökologe, Dresden: “Um die Mobilität zu erhalten, muss der Verkehr vermindert werden”. Die Ankündigung von Anfang Februar 2012 für ÖV-Preiserhöhungen im Dezember 2012 bestätigt einmal mehr: auch der öffentliche Verkehr ist alles andere als nachhaltig!

Treue Kunden werden am stärksten zur Kasse gebeten titelt die NZZ. Wer sind denn diese treuesten KundInnen? Nicht nur nach NZZ sind es jene, die den öffentlichen Verkehr viel und häufig benutzen, jene also die ein ÖV-Abo aus der breiten Angebotspalette haben – und dies auch „ausnutzen“.

In einem Tagesanzeiger-Artikel ist zu lesen: [Der Preis des GA (Generalabonnements)] dürfte … auch in Zukunft überdurchschnittlich stark steigen. Grund ist, dass die GA-Kunden nicht kostendeckend sind. Das sei zwar auch nicht der Sinn des GA … In meinen Worten: im öffentlichen Verkehr gehen also die Verantwortlichen davon aus, dass die VielfahrerInnen von den GelegenheitskundInnen quersubventioniert werden. Dabei ist völlig klar: jene Reisende, für die sich das GA tarifmässig lohnt, haben KEIN nachhaltiges Verkehrsverhalten – sie sind schlicht zu viel und zu lang unterwegs! Es ist wenig tröstlich, dass diese Aussage noch viel stärker gilt für Verkehrsteilnehmende, die die gleichen Verkehrsleistungen mit dem Auto oder dem Flugverkehr nachfragen! Es ist wie bereits bei Paracelsus: es ist die Dosis, die über Schaden oder Nutzen entscheidet!

Gibt es denn nicht auch im Verkehr ein Anrecht auf Mengenrabatt? Abgesehen davon, dass in einer Überflussgesellschaft Mengenrabatt ökologischer Unsinn ist: Unterwegskapazitäten sind Mangelware, sind begrenzte Angebote, und für diese liegt Mengenrabatt schlicht nicht drin! Die Botschaft muss endlich lauten: auch im öffentlichen Verkehr gilt das Prinzip der Kostenwahrheit, es darf keinen Fahrpreisunterschied geben für VielfahrerInnen und gelegentliche ÖV-NutzerInnen. Unterschiede sollte es nur dann geben, wenn dies durch die Nachfrage nach Verkehrsleistungen geboten ist.

Regelmässiges und andauerndes Pendeln über lange Strecken zwischen Wohnort und Arbeits-/Ausbildungsort ist nicht erstrebenswert.

Zum Schluss zitiere ich mich selbst:

Wer weniger pendelt, hat im persönlichen ökologischen Fussabdruck noch Platz für echte Mobilitätsbedürfnisse, beispielsweise Ferienreisen (bevorzugt nicht gerade per Flugzeug).

Der moderne Mensch steigt für Pendlerstrecken aufs Velo, sagt Philipp Löpfe. Ich ergänze, „… geht zu Fuss und bleibt zu Hause„! Das Velo für die tägliche Pendelstrecke zwischen Wohn- und Arbeits-/Ausbildungsort gibt ein gutes und individuelles Mass für eine akzeptable Unterwegs-Strecke. Was mit dem Velo täglich zurückgelegt wird, kann gelegentlich auch zu Fuss erfolgen – Stadtwandern schafft viele neue Einblicke in den eigenen Lebensraum. Und zu Hause bleiben: viele Jobs, viele Ausbildungsgänge erlauben dank den elektronischen Kommunikationsmitteln, dass beispielsweise ein Arbeitstag pro Woche zu Hause ohne Probleme machbar ist, siehe Home Office Day-Aktion. Jeder solche Heimarbeitstag senkt die individuelle Verkehrsnachfrage um zwanzig Prozent! Und vielleicht gibts ja die Kaffeepause statt in der Büro-Cafeteria in der nächsten Quartierbeiz, in der Regel sogar rauchfrei!

Jede Tariferhöhung – gerade auch für die als „treueste KundInnen“ bezeichneten Zuviel-ÖV-NutzerInnen – ist ein Schritt mehr in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung des Verkehrs. Zum Verkehr gehört zwingend das Verkehrssparen!


Wie wenig nachhaltig die Verkehrspolitik der Schweiz ist, zeigt sich aus einer Entscheidung des Bundesrates aus der gleichen Woche: der Ausbau des Gubrist-Tunnels der Nationalstrasse A1 (der Zürcher Nordumfahrung) auf 6 Spuren. Und dies im vollen Wissen um die massive Klimakiller-Wirkung des Strassenverkehrs verbunden mit unlösbaren Lärmbelastungen und -belästigungen. Im Strassenverkehr sind nach wie die Climate Criminals am Werk!

Nachtrag 4.2.2012: Aus einem Artikel der TAZ: Ruhiger wird es also erst, wenn der Mensch seine Verhaltensweisen ändert und weniger per Auto, Laster und Flieger unterwegs ist. Im übrigen: beim TAZ-Artikel geht es um die Auswirkungen des Lärms auf die Menschen und ihre physische und psychische Gesundheit!