Nach-nuklear und nach-fossil: heute beginnen!

Die verschreckten Reaktionen vieler so genannter EnergiepolitikerInnen insbesondere aus dem „bürgerlichen“ Lager auf den schweren Atomunfall in der japanischen Atomkraftwerke-Grossanlage Fukushima-Daiichi zeigen eines sehr deutlich: in der Schweiz gibt es keine ernsthafte Energie- und Klimaschutzpolitik, es gibt allenfalls Ansätze für eine schwache Energiewirtschaftspolitik. Die Impulse, die aufgrund der diversen Erdölpreiskrisen seit 1973 und des atomaren Super-Gaus in Tschernobyl (April 1986) feststellbar waren, sind in der Trägheit der Schweizerischen Politik und der Energiewirtschaft geradezu verpufft. Es gibt wenige Ausnahmen: vor allem die grösseren Städte sind an den Themen dran geblieben, mit ersten erfreulichen Ergebnissen – aber auch da bleibt einiges zu tun. Eine fossil- und nuklearfreie Energieversorgung ist grundsätzlich möglich – wie schnell dies machbar ist, hängt ausschliesslich von der Gesellschaft und der Politik ab.

  • Stadt Zürich: nuklearer Anteil in der Stromversorgung etwa ein Viertel,
  • vom EKZ versorgte angrenzende Gemeinden und Städte: Atomstromanteil rund drei Viertel.

So präsentierte sich der Stand der Stromqualitäten für das Jahr 2009. Die StadtzürcherInnen haben sich gleichzeitig mit dem Entscheid für die 2000-Watt-Gesellschaft am 30. November 2008 für den Ausstieg aus der Atomenergie entschieden, der Zürcher SVP-Regierungsrat Markus Kägi plädierte Anfang Dezember 2010 für zwei neue Atomkraftwerke in der Schweiz (ob er wohl dies nach dem 11.3.2011 immer noch tun würde?). Dermassen offensichtlich präsentieren sich heute die Differenzen der Energie- und Klimaschutzpolitik zwischen Stadt und Kanton Zürich.

Knapp zehn Prozent macht der Atomstromanteil derzeit am Energieverbrauch der Schweiz aus – und dieses Atomstrom stammt vorwiegend aus Atom-Reaktoren, die ähnlich alt oder gar älter sind als die Unfall-Reaktoren in Fukushima-Daiichi. Ein möglichst schneller Ausstieg ist anzustreben, auch wenn aus ethischer Sicht auch in der Schweiz ein Sofortausstieg aus der Atomenergie zu fordern ist. Wenn Politik und Gesellschaft wollen, funktioniert die Stromversorgung der Schweiz spätestens in zehn Jahren ohne Atomkraftwerke! Parallel kann auch der Mensch gemachte Treibhausgasausstoss der Schweiz deutlich vermindert werden.

Die SchweizerInnen werden in nächster Zeit eine grosse Zahl von Szenarien zur Energie- und Klimaschutzpolitik zu sehen bekommen. Ich präsentiere hier ein an einem Samstag-Morgen erstelltes Einfach-Szenario. Es zeigt: es gibt zu jedem energie- und klimaschutzpolitischen Ziel einen Weg – Gesellschaft und Politik müssen ihn allerdings auch begehen wollen! Ebenso wird es in diesen Szenariendiskussionen immer wieder heissen: „Es wäre besser, man würde Massnahme B statt Massnahme A ergreifen“. Ganz banal: ein „Oder“ gibt es nicht mehr, es kann nur noch heissen, „Sowohl als auch und noch viel mehr!“.

Einige Aspekte meines Szenarios:

  • Ich zeige die Szenario-Ergebnisse als „Pro-Person-Werte“ für die Schweiz, ausgehend von der Energiestatistik des Bundes und der Bevölkerungszahl für das 2009. Dies illustriert zwei Dinge: Einzubeziehen sind immer auch Suffizienz-Überlegungen. So darf etwa die Wohnfläche pro Person sicher nicht mehr zunehmen (obwohl eigentlich sämtliche Entwicklungsszenarien des Bundes, der Kantone und der Städte genau davon ausgehen), idealerweise nimmt sie ab. Eine Zunahme der Bevölkerung – egal ob durch Geburtenrate oder Migration – hat Auswirkungen auf die Absolutwerte, nicht aber direkt auf die Werte pro Person.
  • Ich gehe von einer umfassenden Erneuerung des Gebäudebestandes aus: jedes Gebäude wird während der Laufzeit des Szenarios umfassend erneuert oder durch einen Ersatzneubau ersetzt. Dies heisst – und dies hat gar nichts mit Spekulation zu tun: solche energetischen Verbesserungen an den Bauten sind nur zu haben mit umfassenden baulichen Eingriffen, was ebenfalls zur Erhaltung respektive Steigerung des Wohnwertes beitragen. Wohnen wird sicher nicht günstiger – dies erleichtert möglicherweise die Diskussionen um eine Verminderung des Wohnflächenanspruchs.
  • Ebenso wird beim nächsten Ersatz die Heizungsanlage auf erneuerbare Energien, hauptsächlich Wärmepumpen, umgestellt.
  • Es wird endlich eine ernsthafte Stromeffizienz-Politik verfolgt – nicht mehr der Marktdurchschnitt, sondern die weltweit bestverfügbaren Geräte (BAT) sind das Mass bei Neu- und Ersatzinvestitionen. Trotzdem liegen noch einige zusätzliche besonders effiziente Geräte drin.
  • Im Verkehr wird davon ausgegangen, dass ein Verkehrssparen erfolgt, verbunden mit einem deutlichen Umstieg von der Strasse auf den öffentlichen Verkehr. Ebenso wird der verbleibende MIEF (sorry MIV, motorisierter Individualverkehr) zu 80 % durch kleine Elektrofahrzeuge ersetzt.
  • Unterstellt werden begleitende und flankierende Massnahmen, die dazu beitragen sollen, den Rebound-Effekt zu verhindern oder doch stark zu beschränken (Beispiel Rebound-Effekt: energieeffiziente Bauten führen häufig zu höheren Durchschnittstemperaturen – viele meinen, in gut gedämmten Bauten dürfe man sich höhere Raumtemperaturen leisten, obwohl diese zu Einschränkungen des Raumkomforts führen.
  • Das Szenario geht davon aus, dass sämtlicher Strom aus erneuerbaren Quellen kommt, sowohl lokal, regional als auch von ausserhalb der Landesgrenzen. Energieautarkie oder 100 % Selbstversorgung wird nicht angestrebt. Dies heisst, dass ein Ausbau der Stromnetze erforderlich ist; es ist zu verlangen, dass immer mehr Hochspannungsleitungen unterirdisch verlegt werden.
  • Aus diskussionsstrategischen Gründen wird davon ausgegangen, dass der Energieverbrauch des Flugverkehrs – der Einbezug erfolgt über den in der Energiestatistik ausgewiesenen Verbrauch an Flugtreibstoffen – über den gesamten Szenariozeitraum konstant bleibt.

Und so sehen Ausgangspunkte und Szenariowerte aus:

Einige Erläuterungen dazu:

  • Methodisch wird die Betrachtungsweise der 2000-Watt-Gesellschaft verwendet – Energie und Treibhausgasemissionen des Energieverbrauchs und der grauen Energie dieser Energie. „CO2e“ steht für die Emission von Treibhausgasen als CO2-Aequivalent, in Kilogramm pro Person und Jahr. „PE“ ist die mittlere Primärenergie-Dauerleistung in Watt pro Person, „EndE“ steht für die mittlere Endenergie-Dauerleistung, ebenfalls in Watt pro Person. Ein Jahresdatum für das Szenario ist nicht festgesetzt – weil die Schnelligkeit noch durch Gesellschaft und Politik zu bestimmen ist. „Spätestens 2050, der Verzicht auf Atomenergie spätestens 2021“, würde nicht schlecht passen.
  • Obwohl vermehrt Wärmepumpen und Elektroantriebe eingesetzt werden, steigt der absolute Stromverbrauch sehr geringfügig; dieses auf den ersten Blick erstaunliche Ergebnis ergibt sich aus der Realisierung des Stromeffizienzpotentials, dem Ersatz von Elektroheizungen im Zusammenwirken mit der Verminderung des Energieverbrauchs auf der Strasse und in Gebäuden. Eine Veränderung des Auslandanteils (einerseits Wegfall eines grossen Teils der fossilen Brenn- und Treibstoffe, des spaltbaren Urans für Atomkraftwerke und des Imports von unspezifizierten Strom aus dem UCTE-Verbund (Anteil 2009: 20 %), andererseits Import von Strom aus Wind und Sonne und eventuell Biogas) ist kaum abschätzbar.
  • Bemerkenswert auch, alle Aussagen für die Werte pro Person: der Endenergieverbrauch wird um den Faktor 2.24 vermindert, der Primärenergieverbrauch um den Faktor 3, während der Verminderungsfaktor bei den Treibhausgasen sogar 5.4 beträgt. Klimaschutz UND Atomausstieg sind gemeinsam realisierbar – es braucht keine Atomkraftwerke für den Klimaschutz!

Ist dieses Szenario realistisch? Ja und Nein! Es zeigt auf der „Ja“-Seite den Handlungsspielraum – und führt damit direkt zur „Nein“-Seite: dieses Szenario kann nur erreicht werden, wenn die erforderlichen Massnahmen, und diese gehen deutlich weiter als das, was in den letzten 30 Jahren umgesetzt wurde, realisiert werden. Es ist wie mit allen Szenarien: es geht um die Darstellung von Handlungsmöglichkeiten im Sinne von „Was wäre, wenn …“.


Hinweise zu den Massnahmen. Diverse meiner Beiträge auf umweltnetz.ch enthalten bereits eine Fülle von möglichen Massnahmen. Ich versuche, hier eine Arrondierung vorzunehmen.

  • Auch wenn mich die Verwendung der militärnahen Terminologie stört: es braucht eine Anbauschlacht, es braucht einen „Plan Wahlen„.
  • Auch wenn dies auf den ersten Blick überrascht: sämtliche Subventionen und Förderbeiträge im Energiebereich sind blitzartig abzuschaffen, egal, ob sie Das Gebäudeprogramm, Einspeisevergütung oder Stromsparfonds heissen. Förderbeiträge signalisieren, dass es um Aktivitäten für Willige, für First Mover, geht. Diese Phase ist in der Energiepolitik nicht erst seit Fukushima-Daiichi vorbei: Energie- und Klimaschutzpolitik gehören zum „Standardprogramm“ und erfordern keine Förderung.
    Festzuhalten ist, dass finanzielle Förderungen (siehe die früheren Landwirtschaftssubventionen) schlussendlich kontraproduktiv sind, da sie die Entwicklung blockieren: was gefördert wird, darf relativ viel kosten, mit Förderung werden häufig die Knowhow-Defizite aller EntscheiderInnen und AkteurInnen zum Beispiel in der Wohnungswirtschaft kompensiert.
  • Anstelle der Subventionen tritt eine sehr stark lenkende, vollständig rückerstattete Energieabgabe. Das Gejammer von SVP FDP und CVP (z.B. bei den Diskussionen März 2011 im Ständerat anlässlich der Revision der Bestimmungen des CO2-Gesetzes zur CO2-Abgabe), dies erhöhe die Energiekosten, ist pure Dummheit. Volkswirtschaftlich betrachtet handelt es sich bis auf die Administrativkosten um ein Nullsummenspiel: Jene, die deutlich über dem Durchschnitt Energie verbrauchen, haben zwar mehr zu bezahlen; dafür werden jene entlastet, die bereits Massnahmen realisiert hat. Wichtig sind auch weitere Lenkungsabgaben – zum Beispiel eine Wohnflächen-Lenkungsabgabe!
  • Mit der Freiwilligkeit im Energie- und Klimaschutzbereich wurde in den letzten 30 Jahren ausreichend experimentiert. Klares Fazit: viel zu wenig wirksam, man spricht immer die gleichen Marktsegmente an – für den Gesamtmarkt braucht es einen klaren gesetzlichen Rahmen. Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind wichtige Handlungsebenen für Haushalte und Wirtschaft – die Erreichung der energie- und klimaschutzpolitischen Ziele wird wesentlich vereinfacht durch den Einbezug der Suffizienz, der Strategie der freiwilligen Einfachheit (LOVOS).
  • Gerade im Gebäudebereich dominiert Massnahmen- statt Wirkungspolitik. Es werden Sonnenkollektorflächen unabhängig von ihrem Ertrag gefördert – und es interessiert folglich auch niemanden, was die Wirkung dieses Kollektors ist (P.S. Im Mittel aller Anlagen: erschreckend mager!). In den Gesetzen sind Wirkungsziele festzuhalten. Im Gebäudebereich etwa: Alle Gebäude erreichen bis z.B. 2025 den Energieverbrauchslevel B (besser wäre sogar A). Bei den elektrischen Geräten ist endlich die Energieetikette so zu gestalten, dass A die besten und C die schlechtesten im Markt verfügbaren Geräte sind – die A+-, A++- und A+++-Klassen etwa bei den Kühlgeräten als kommunikativer Killer (A ist doch am Anfang, also das beste, da ist nicht nachvollziehbar, dass A+++ noch besser sein soll) sind abzuschaffen.
  • Es braucht eine massive Aus- und Weiterbildungsinitiative: es gibt nicht nur in der Schweiz bei weitem nicht genügend Fachleute, die in der Lage sind, die erforderlichen Massnahmen zur Erreichung der ambitiösen Energie- und Klimaschutzpolitik-Ziele zu erreichen. Ein Link aus Deutschland: Klimaschutz: Fachkräftemangel behindert energetische Gebäudesanierung – wie diverse Untersuchungen belegen, ist die Situation in der Schweiz vergleichbar!
  • Es braucht Massnahmen zur Verminderung des PendlerInnen-Verkehrs, auch wenn derzeit noch wenig Begeisterung für derartige Ideen vorhanden ist. Ebenfalls ist die Verkehrsfläche deutlich zu vermindern.

Was kostet diese ernsthafte Energie- und Klimaschutzpolitik? Da es darum geht, die offensichtlichen Risiken von Atomunfällen und des Mensch gemachten Klimawandels zu vermeiden oder wenigstens zu verringern, haben Investitionen in eine nicht-nukleare und nicht-fossile Energieversorgung Versicherungscharakter. 2009 gab die Schweiz rund 5.1 Prozent des BIP für Energiekosten aus (rund 27 Mia Franken), darin sind neben den Energieträgerkosten auch Abschreibungsbeiträge für die Energieproduktionsanlagen enthalten. Bei einer Fokussierung auf erneuerbare Energieträger sinken tendenziell die Energieträgerkosten, dafür steigen die Infrastrukturkostenanteile. Dazu kommen energierelevante Investitionen in den Gebäudepark (max. 1 Mia Franken pro Jahr), und die SchweizerInnen kaufen jährlich Autos im Wert von etwa 10 Mia Franken. Sir Nicolas Stern hat für den Klimaschutz Zusatzkosten von einem Prozent des BIP ermittelt – das wären 5 Mia Franken für die Schweiz! Das heisst: die Schweiz kann sich eine nicht-nukleare und nicht-fossile Energiezukunft bestens leisten, und dies besser morgen als erst überübermorgen! Darum: gerade heute beginnen – falls noch nicht passiert zum Beispiel mit „Atomstrom abwählen„!


Ein Kommentar: wer hier Flächenberechnungen und Technologieerörterungen sucht, wird enttäuscht sein. Das hat auch damit zu tun, dass die bisherige Energiepolitik – von „Atomkraft! Nein Danke!“ bis zu den Windenergieanlagen-Standorten – eine mehr oder weniger auf Technologiefragen reduzierte Diskussion war und ist. Politik sollte sich um strategische Fragen kümmern – etwa wie viel Wohnfläche steht zur Verfügung, welche energie- und klimaschutzpolitischen Ziele sollen erreicht werden, wie werden die Kosten und Lasten der Energie- und Klimaschutzpolitik verteilt, wo braucht es Forschungs- und Technologieförderung? Es kommt dazu, dass die zukünftige Energieversorgung aus vielen Quellen gespiesen wird – die schon fast einseitige Abhängigkeit von fossilen und atomaren Energieträgern wird vorteilhaft ersetzt durch einen Vielfachansatz aus einem Strauss von Möglichkeiten. Festzuhalten ist ebenfalls die Bedeutung von Effizienz und Suffizienz im Vergleich mit Energieträgerfragen: bei Effizienz und Suffizienz handelt es sich um Gesellschafts- und Energiepolitik, bei den Energieträgern geht es prioritär um Energiewirtschaftspolitik. Und daran zeigt sich auch, dass die Zukunft der Energiepolitik verlangt, dass die Energiepolitik nicht der Energiewirtschaft überlassen wird.


Nachtrag 20.3.2011

Auch wenn der deutsche Strommarkt und der deutsche Kraftwerkspark nicht direkt vergleichbar ist mit der Situation in der Schweiz: Der WWF Deutschland und das Oeko-Institut halten klar fest, dass ein schneller Ausstieg aus der Atomenergie (stufenweise, sofort startend, bis längstens 2020 abgeschlossen) und positive Impulse für den Klimaschutz gleichzeitig möglich sind! Genau dies zeigen auch meine obenstehenden Szenarioüberlegungen.


Nachtrag 20.3.2011

Axpo-Chef (Heinz Karrer) denkt an Strategiewechsel, titelt der Tages-Anzeiger (zwar bekanntlich eher als Auto-Anzeiger auftretend) am 20.3.2011. Herr Karrer ist der Ansicht, dass Atomkraftwerke derzeit nicht mehrheitsfähig sind – angesichts dessen, dass für neue Atomkraftwerke definitiv kein Bedarf besteht respektive nie bestanden hat, dürfte sich allerdings die öffentliche Meinung wegen des Atomunfalls in Japan kaum geändert haben. Auch der Berner BDP-Regierungsrat und BKW-Präsident Urs Gasche schätzt die aktuelle AKW-Stimmung der Schweizerischen Stimmberechtigten ähnlich ein. P.S. Dann nichts wie los, Axpo und BKW, ziehen Sie endlich die unsinnigen Neu-AKW-Rahmenbewilligungsgesuche zurück – dies schafft Raum, um endlich zielgerichtet an der zukunftsfähigen Stromversorgung zu arbeiten.

Sowohl Herr Karrer wie Herr Gasche vertreten allerdings umweltpolitische Positionen, die eher als Geisterfahrer-Positionen verstanden werden müssen. Herr Karrer will für allfällige Erdgas-Kombikraftwerke das CO2-Gesetz ausser Kraft setzen, und Herr Gasche möchte bei Wasserkraftwerken auf den ehr als nötigen Umweltschutz verzichten. Sorry, meine Herren, völlig daneben, zurück auf Platz 1!

Denn: Herr Karrer sagt gleichzeitig, dass an einem kalten Wintertag die Schweiz zu 70 bis 80 % von Atomkraftwerken abhänge. Falls diese Aussage wirklich zutrifft, heisst dies nichts anderes, als dass zu viel Strom in Direkt-Elektroheizungen verschwendet wird! Wenn die Bewilligung von Gas-Kombikraftwerken mit der Auflage versehen wird, dass diese nur dann betrieben werden können, wenn die Elektroheizungen durch Wärmepumpen ersetzt werden (Wärmepumpen brauchen für den gleichen Raumkomfort auch ohne Massnahmen an der Gebäudehülle drei bis vier Mal weniger Strom als Elektroheizungen), ergibt sich eine deutliche Verbesserung der Gesamtökobilanz eines Gas-Kombikraftwerks im Vergleich mit einem Atomkraftwerk. Weil zudem mindestens 2/3 des bisher für Elektroheizungen verwendeten Stroms für weitere Wärmepumpen, die bisherige Oel- oder Gasheizungen ersetzen, eingesetzt werden können, ergibt sich eine weitere Entlastung der Oekobilanz – es braucht also keine Aufweichung des CO2-Gesetzes. Und Herr Gasche sollte schon lange wissen, dass Wasserkraft nur nachhaltig genutzt werden kann, wenn weitgehende Umweltauflagen berücksichtigt werden (P.S. Das in der heutigen Form unsinnige Grimselwasserkraftausbauprojekt wird nicht durch die Verbrämung mit dem Atomausstieg zu einem Superprojekt). Dies zeigt, dass der Ausstieg aus der Atomenergie zwingend neue Führungskräfte in der Stromwirtschaft erfordert – wer bis jetzt den Pro-AKW-Kurs geprägt hat, ist nicht wirklich glaubwürdig, wenn es darum geht, einen wesentlichen Beitrag zur Ökologisierung der Stromwirtschaft und zum Ausstieg aus der Atomenergie zu leisten.


Nachtrag 19.3.2011

Zusammengestückelte Zitate von Frau Bundesrätin Doris Leuthard, seit etwas mehr als 100 Tagen Schweizerische Energie-Ministerin und damit verantwortlich für die Konkretisierung der Schweizerischen Energiepolitik (Aussagen an der Delegiertenversammlung der CVP-Frauen Schweiz, Quelle):

 

  • Energieministerin Doris Leuthard warnt davor, in der Atomdiskussion «unreflektierte Forderungen» aufzustellen.
  • Bundesrätin Leuthard plädierte dafür, zuerst Fakten und Konzepte abzuwarten, um «faktenbasiert» darüber zu diskutieren, was eine Zukunft ohne Atomenergie für die Stromversorgung in der Schweiz bedeuten würde.

 

Das bekannte Logo Atomkraft? Nein Danke! gibt es seit 1975, also seit den Entstehungszeiten der Anti-Atom-Bewegung, einer der wichtigeren gesellschaftlichen Bewegungen der letzten 40 Jahre. Frau Leuthard, sind 40 Jahre ein genügend langer Zeitraum, um reflektierte Forderungen aufzustellen? Ich meine sehr wohl! Zumindest die offizielle Schweizer Politik mitsamt der Unterabteilung Energiewirtschaftspolitik hat mindestens seit 1986 (Tschernobyl!) vor allem laviert und geschlafen – die Zeit der Reflexion ist vorbei, jetzt sind Entscheide angesagt, und es ist schnell zu handeln. Der Atomausstieg bis 2020/2021 ist problemlos möglich – Sie und Ihre PolitikkollegInnen müssen nur noch „Ja Danke!“ zu Strom aus erneuerbaren Energien sagen! Dazu gehört auch: Fakten und Konzepte zum Thema atomenergiefreie Stromversorgung gibt es ausreichend, solche müssen auf keinen Fall neu erstellt werden. Bei Bedarf erstelle ich für Frau Bundesrätin Doris Leuthard gerne eine Linkliste mit den aktuellsten Studien, damit keine Zeit verloren geht, um die längst fälligen Entscheide für eine nuklear- und fossilfreie Energiezukunft zu fassen!

Erste Fassung: 19.3.2011

Ein Gedanke zu „Nach-nuklear und nach-fossil: heute beginnen!“

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