Mobilität ist nicht Verkehr ist nicht Mobilität

Weil nicht nur in der Schweiz Mobilität dauernd mit Verkehr verwechselt oder gar gleichgestellt wird, sind Nachhaltigkeitsperspektiven und damit Zukunftsvisionen des Verkehrs nicht einfach zu erörtern. Das zeigt sich am Beispiel der wirren Diskussionen um das nur so genannte Mobility-Pricing bestens.

Mobilität ist ein Recht – deshalb passiert dies im Kopf. Mobilität ist das Wissen, dass sich Menschen (auch gedanklich) nach ihren Wünschen und Möglichkeiten bewegen können. Ein Recht auf Verkehr und insbesondere freie Verkehrsmittelwahl lässt sich daraus allerdings nicht ableiten, weil beispielsweise ethische Aspekte zu berücksichtigen sind. Verkehr ist nicht ein Zweck der Gesellschaft, sondern eine Folge von Sachzwängen, die sich aus diversen anderen Sachpolitiken ergeben.

Werktägliches Pendeln zum Beispiel zwischen Wohn- und Arbeitsort ist eindeutig als Zwangsverkehr, allenfalls als Zwangsmobilität zu bezeichnen. Die Ökologisierung des PendlerInnen-Verkehrs durch öffentliche Verkehrsmittel oder durch mit Strom aus erneuerbaren Quellen angetriebene Elektrofahrzeuge ist somit in erster Linie Symptombekämpfung.

Alltagsverkehr ist dann gewährleistet, wenn der alltägliche Weg zum Beispiel zwischen Wohn- und Arbeitsort mit den täglich sieben- bis zehntausend Schritten – die als Beitrag zum körperlichen Wohlbefinden empfohlen sind – abgedeckt werden kann. Zehntausend Schritte, das entspricht zwei Mal täglich einem 25-minütigen Fussmarsch, das entspricht aber auch zwei Mal täglich einer viertelstündigen zügigen Velofahrt. Eine solche visionäre Verkehrsminimierung als Sicherung des Alltagsverkehrs erfordert eine erhebliche Umgestaltung unserer Alltagslebensräume: All das, was wir täglich nutzen wollen – Wohnen, Arbeiten, Schule, Einkaufen, Studium, Weiterbildung, Sport, Erholung, Spass, Unterhaltung, und so weiter –, muss näher zusammenrücken. Mit hoher Wahrscheinlichkeit verträgt sich dies nicht mit der dezentralen Besiedelung der Schweiz.

Dass die Fahrzeuge von TESLA MOTORS so begehrt sind, hat mehrere Gründe. Der konsequente Elektroantrieb ist ein wichtiger Aspekt, auch die Fokussierung auf die Fahrzeug-Ober- und Mittelklasse. Zentral aber ist, dass die TESLA-Fahrzeuge mittel- bis längerfristig autonom unterwegs sein werden. Dies weist darauf hin: Verkehr in der heutigen Form schränkt die Mobilität ein. Menschen wollen nicht Tag für Tag ihre Intelligenz, ihre Emotionen und Gefühle dazu verwenden, ein Auto zu steuern – sie wollen die Unterwegszeit für wichtigere Tätigkeiten nutzen können. Beim Zehntausendschritte-Verkehr ist dies übrigens ebenfalls inbegriffen.

Derzeit ist die Vision des Zehntausend-Schritte-Verkehrs überhaupt noch nicht akzeptiert, der Fokus liegt einerseits bei einer Optimierung der betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten, andererseits bei einer Minimierung der ökologischen Auswirkungen. «Besserer Verkehr» ist derzeit die Devise, weniger Verkehr wird kaum gefordert – dies hat sehr viel mit der bewussten Vermischung des Rechts auf Mobilität mit dem Verkehr zu tun. «Besserer» Verkehr ist allerdings noch nicht nachhaltiger Verkehr. Mit der Digitalisierung, Stichwort Home-Office, sind erstmals Ansätze erkennbar, die eine Verminderung der Verkehrsnachfrage erwarten lassen.

Schon mehrfach zitiert habe ich die zentrale Aussage «Um die Mobilität zu erhalten, muss der Verkehr vermindert werden.” von Udo J. Becker, Verkehrsökologe an der Technischen Universität Dresden. Daran führt kein Weg vorbei. Dies funktioniert nur, wenn die Verkehrsteilnehmenden die wahren Verkehrskosten zu bezahlen haben. Derzeit ist festzustellen, dass kein gesellschaftlicher Konsens über Verkehrs-Kostenwahrheit besteht. Ein erster Schritt dazu ist, Verkehr und Mobilität deutlich zu unterscheiden.

Der Bedarf der Gesellschaft an Waren, Gütern und Dienstleistungen erfordert ebenfalls einiges an Verkehr – es fällt wesentlich leichter, diesen Verkehr nachhaltig bewältigen zu können, wenn der Alltags-Pendelverkehr deutlich reduziert werden kann.

Wenn es gelingt, den Alltagsverkehr zu vermindern, bieten sich dafür beschränkte Freiräume zur Ermöglichung eines nachhaltigen Reiseverkehrs.