Lückenhaft

Wieder einmal singt die Energie-Agentur der Wirtschaft das Loblied der freiwilligen Klimaschutzbemühungen – informiert aber nur lückenhaft, und macht damit mehr Politik als Klimaschutz. Was taugen die Klimaschutzbemühungen der Wirtschaft wirklich? Ein Versuch, im Desinformationsnebel der Economiesuisse herumzustöbern.

Am 12. August 2010 wurde die Berichterstattung der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) zu den Ergebnissen ihrer Arbeit veröffentlicht. Was ist an konkreten Informationen zu finden?

Rund 2000 Unternehmen sind der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) angeschlossen, heisst es in der Medienmitteilung. Als Zitat: „Im Vergleich zu 1990 beträgt die CO2-Intensität noch 71 Prozent und liegt damit 12 Prozent über dem Ziel. Und mit 118 Prozentpunkten liegt auch die Energieeffizienz 8 Prozentpunkte über dem Ziel.

2000 Unternehmen, ist das viel oder wenig? 312’861 Unternehmen zählte die Schweiz im Jahr 2008. 2’000 Unternehmen wären also 0.64 % der Unternehmen. Darunter gab es 1’154 Grossunternehmen (über 250 Mitarbeitende) und 6’178 mittlere Unternehmen (grosse KMU mit 50 bis 249 Mitarbeitenden) – 53.4 % der Beschäftigten arbeiten für diese Unternehmungen. 2’000 Unternehmen wären in diesem Segment 27 % der Firmen. P.S. Der Ansatz der Energie-Agentur der Wirtschaft eignet sich eher für grössere Unternehmungen.

Das heisst: in der Grössenordnung würden also etwa 30 % der Unternehmen bei der EnAW mittun – nach dem Pareto-Prinzip (80/20-%-Regel) also ein nicht wirklich relevanter Teil der Wirtschaft.

Es braucht sicher noch eine Querbestätigung dieser Nebelstocherzahl.

Hier hilft die Internet-Seite der EnAW weiter: Auf einer Internetseite mit dem Titel „Schweizer Unternehmen reduzieren mehr als 1 Million Tonnen CO2 pro Jahr“ finden sich weitere Aussagen, als Zitat: Zusätzlich wurde die Energieeffizienz um 18 % gesteigert. Das entspricht einer Verbrauchsreduktion von 4‘773 Mio. kWh Energie pro Jahr.

Daraus lässt sich ableiten: der Energieverbrauch ist in den betroffenen Unternehmen 15 % tiefer, als dies ohne Massnahmen der Fall wäre. Aus den eingesparten 4’773 Mio kWh lässt sich ableiten, dass der unbeeinflusste Gesamtenergieverbrauch der Unternehmungen somit 31’820 Mio kWh gewesen wäre.

Gemäss Bundesamt für Energie betrug der Gesamtenergieverbrauch im Jahr 2008 900’040 GJ, entsprechend 250’011 Mio kWh. Auf die Wirtschaft entfiel gemäss gleicher Quelle ein Energieanteil von 35.8 %, entsprechend 89’504 Mio kWh. Der abgeschätzte Energieverbrauch der der Energie-Agentur der Wirtschaft angeschlossenen Unternehmen würde somit rund 35 % des Energieverbrauchs, also etwas mehr als ein Drittel des Energieverbrauchs der Gesamtwirtschaft, ausmachen.

Da in der Tendenz davon ausgegangen werden kann, dass sich eher die energieintensiven Unternehmungen, nicht zuletzt auch aus ökonomischen Gründen, an den von der EnAW ausgelösten Aktivitäten beteiligen, ergibt sich kein Widerspruch zu den obigen Zahlen aufgrund der Anzahl und Grössen der Unternehmungen.

Wie ist der ungefähre Drittel des Energieverbrauchs einzuschätzen, der von der EnAW beeinflusst wird? Grundsätzlich leistet die Energieagentur der Wirtschaft und die ihr angeschlossenen Unternehmen gute Arbeit. Dies ist auch durch die Politik wahrzunehmen und zu anerkennen. Aber: es reicht NICHT als Klimaschutzbeitrag der Gesamtwirtschaft! Denn: 70 % der Unternehmungen erachten es offenbar nicht als nötig, sich um den Klimaschutz zu kümmern.

Wenn Pascal Gentinetta, Präsident der Energie-Agentur der Wirtschaft, in Personalunion auch Direktor der economiesuisse, wegen der Erfolge der Energie-Agentur der Wirtschaft eine Sonderlösung für die gesamte Wirtschaft (und nicht nur für die Unternehmen mit Tatbeweis) fordert, ignoriert er (einmal mehr im Sinne der Climate Criminals) die zwingende Notwendigkeit zur Umsetzung ernsthafter Klimaschutzmassnahmen.

Der Fall ist klar: die Erfolge der EnAW sind zwar zu rühmen – damit auch der überwiegende Teil der Wirtschaft endlich klimaschützend aktiv wird, braucht es eine deutlich verschärfte Klimaschutzpolitik, die sich auch an die klimaschützerisch untätigen Unternehmen richtet!

Es braucht also deutlich weitergehende politische Massnahmen zur Verstärkung der Klimaschutzaktivitäten auch der Firmen – es braucht einen deutlichen Ausbau der CO2-Abgabe auf Brennstoffe (mit Rückerstattung an Haushalte und Wirtschaft), es braucht endlich endlich eine CO2-Abgabe auch auf Treibstoffe (mit Rückerstattung an Haushalte und Wirtschaft) – und es braucht selbstverständlich auch eine stark lenkende Energieabgabe, insbesondere auch für Strom (mit Rückerstattung und Haushalte und Wirtschaft).

Somit ist klar: mit ihrer lückenhaften Berichterstattung orientiert sich das Gespann EnAW/economiesuisse ausschliesslich an der Politikbeeinflussung und macht deutlich, wie gering die Gesamtwirtschaft die Notwendigkeit des Klimaschutzes einschätzt – eindeutig zu Lasten der verantwortungsbewussten Unternehmungen, die sich auch unter Einsatz erheblicher Mittel seit Jahren für echte Klimaschutzmassnahmen engagieren!