Klimaschutz: Es braucht auch den Ausstieg aus dem Erdgas

Wollen wir den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen, wie im Pariser Klimaschutzabkommen versprochen, auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C begrenzen, müssen wir die weltweiten Kohlendioxidemissionen möglichst um das Jahr 2040 auf null, also um 100 Prozent reduzieren. So startet Professor Volker Quaschning, Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin, Sprecher des Studiengangs Regenerative Energien einen Beitrag des Wissenschaftsblogs Klimalounge von Spektrum.de. An derartigen Aussagen orientieren sich auch diverse meiner umweltnetz.ch-Beiträge. Wenn wir es wollen, ist dies zu schaffen – und wir müssen es schaffen, um die Auswirkungen des von Menschen gemachten Klimawandels auf ein für die Menschheit erträgliches Mass zu begrenzen.

Auch wenn Erdgas nach wie vor mit einem grünen Blättchen als «freundliche Energie» wirbt: Fossiles Erdgas gehört nicht dazu, wenn es um eine neue Energiewelt geht, die ausschliesslich mit erneuerbaren, nachhaltig nutzbaren Energien funktioniert.

Wie steht es um die Zukunftsaussichten von Biogas und von «erneuerbaren» Gasen aus dem Power-to-Gas-Prozess? Können diese Gase zukünftig eine in vielen Gebieten der Schweiz flächendeckende Gasversorgung rechtfertigen? Die Antwort ist klar und eindeutig: NEIN! Gas als Brenn- und allenfalls Treibstoff wird allenfalls beschränkt in dezentralen Anwendungen genutzt. Alles andere sind Marketing- und Propaganda-Aussagen.

Energie 360° AG und das Paul Scherrer Institut experimentieren derzeit damit, Biogas und Power-to-Gas zu kombinieren. Es geht allerdings in erster Linie darum, dezentral erzeugtes Biogas für die Einspeisung ins Gasnetz aufzubereiten – PlusBiogas so quasi.

Dazu soll aus «überschüssigem Strom» erzeugter Wasserstoff dienen. Allein der Begriff «überschüssiger Strom» dokumentiert den Grundlagenirrtum dieser Arbeiten. «Überschüssigen Strom» gibt es nicht, wie alle Energien ist auch Strom z. B. aus Fotovoltaik und Sonnenenergie zu bewirtschaften, damit Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung gebracht werden können. Strom aus erneuerbaren Quellen ist volatil, gleich wie viele andere Energien. Die Speicherung von Energie, in welcher Form auch immer, gehört seit den fossilen Vorzeiten der Erde zu den Geschäftsmodellen der Energiewirtschaft. Eine effiziente Energienutzung erfordert auch effiziente Speichervorgänge. Bereits die Kette von Strom zu Wasserstoff weist beachtliche Energieverluste auf, auch die Methanisierung (Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas) führt zu weiteren Energieverlusten. Sollte dann sogar aus Methan wieder Strom produziert werden, steigen die Verluste massiv. Es gibt andere Speicherverfahren für Strom, die deutlich weniger Verluste als die Methanisierung aufweisen. Power-to-Gas ist letzte Wahl! Dies wird auch durch eine durch den Kanton Schaffhausen erstellte Studie bestätigt. Power-to-Gas ist demnach ein Spezialthema für wenige spezielle Anwendungen!

Biogas ist direkt verlinkt mit Foodwaste und einer tierhaltungsorientierten Landwirtschaft. Es ist davon auszugehen, dass Foodwaste zukünftigt erheblich reduziert wird. Ebenfalls mit Klimaschutzargumenten ist davon auszugehen, dass zukünftig die Zahl der Nutztiere (Rinder, Schweine, …) deutlich vermindert wird. Das Biogaspotenzial wird dadurch sicher nicht grösser.

Der Internet-Artikel zum Projekt von Energie 360° AG und Paul Scherrer Institut nennt ein in das Gasnetz einspeisbares PlusBiogas-Potenzial von 1’400 Gigawattstunden (GWh), gegenüber 308 GWh, die heute eingespeist werden. Zur Einordnung: die 1’400 GWh entsprechen etwa vier Prozent des 2015 in die Schweiz eingeführten Erdgases (ca 33’172 GWh gemäss Energiestatistik des Bundes). Da Power-to-Gas allein (also ohne Biogas) wegen den absehbaren Entwicklungen im Strom(speicher)bereich mittel- bis langfristig kaum relevante Mengen an erneuerbaren Gasen bereit stellen kann, ist bei einem Ausstieg der Schweiz auch aus fossilem Erdgas ein Weiterbetrieb des heutigen Gasnetzes längerfristig nicht möglich. Biogas und PlusBiogas, allenfalls ergänzt mit geringen erneuerbaren Power-to-Gas-Mengen, werden demnach sehr beschränkt zum Transformationspfad zu einer fossil- und nuklearfreien, ausschliesslich auf erneuerbaren Energien aufbauenden Energieversorgung beitragen.

Einmal mehr: Es braucht eine Energiepolitik von unten – Wärme-, Strom- und Mobilitätsantriebs-Energien werden zukünftig in erster Linie dezentral bereitgestellt! Somit ist es an der Zeit, aus Erdgas-Investments mit dem Motto «Go Fossilfree» auszusteigen, Divestment also auch bei Erdgas!