KISS und Politik

Demokratie ist der Versuch, zivilgesellschaftliche (Mehrheits-)Meinungen in Regeln respektive Gesetze zu fassen. Das, was Politik tut, hat entgegen weitläufigen Vorstellungen schlicht nichts mit Innovation zu tun, sondern ist mehrheitsfähiger Nachvollzug. Ein Kunststück in diesem Prozess ist es, mit Minderheiten umzugehen, vor allem dann, wenn diese sehr laut, sehr finanzstark und extrem populistisch sind.

 
Die Politik in der Schweiz auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene wird seit einigen Jahren geprägt durch die starke Minderheitsgruppierung $VP (ich mag angesichts der nachweislichen Demokratiedefizite dieser Organisation nicht von Partei sprechen – es geht angesichts der mit Sicherheit erheblichen, wegen der mangelnden Transparenz in der Parteienfinanzierung nicht bekannten Finanzmittel eher um eine Marketingplattform für Wahlen und Abstimmungen). Immer wieder gelingt es der politischen Hochfinanz, auch in Abstimmungen absurde Entscheide herbeizuführen.

KISS – Keep It Simple and Stupide – ist in Anlehnung an das Marketing von vor allem billigen (und eher unnötigen) Konsumprodukten das Erfolgsrezept der Unternehmung $VP. Auch wenn die Politik nachvollzieht, was in der Gesellschaft mehrheitsfähig ist: „Simple“ und „Stupide“ sind die Fragestellungen nicht, insbesondere jene, die sich mit den Weiterentwicklungen der Gesellschaft beschäftigen. KISS funktioniert bestens, wenn man auf der Vergangenheit aufbauend eine „kleine Welt“ für einen begrenzten Zeitraum überblickbar halten will. Banalbotschaften, zusammenhangslose Platitüden gehören ebenso dazu wie Appelle an Primitivinstinkte, aber auch das Jammern über voraussichtlichen Misserfolg und dergleichen. Alles scheint erlaubt, wenn es nur dazu dient, die Medienpräsenz zu erhöhen.

Der Mensch gemachte Klimawandel etwa wird sich in der Wirkungszeit der meisten $VP-PolitikerInnen kaum bemerkbar machen. Das heisst: es ist ohne weitere direkte Konsequenzen möglich, diesen Mensch gemachten Klimawandel zu leugnen – oder noch einfacher zu ignorieren. Denn die Beschäftigung mit dem Klimawandel, mit dem übergrossen ökologischen Fussabdruck ist alles andere als KISS.

Ähnlich ist es mit der zukünftigen Stromversorgung. Eine knappe Mehrheit der Politik ist offenbar der Ansicht, die Atomenergienutzung könne bis etwa 2034 ganz gemütlich noch ein bisschen ausfransen (im übrigen erstaunlich, dass die offiziellen PromotorInnen dieser Nicht-Energiepolitik – die vier BundesrätInnen Micheline Calmy-Rey, Doris Leuthard, Eveline Widmer-Schlumpf und Simonetta Sommaruga – mit dem Europäischen Solarpreis 2011 ausgezeichnet werden (sollen)!

Das marketingmässige Auftreten der $VP ist in erster Linie deshalb möglich, weil die Politik keinem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterworfen ist. Politik ist nur in Kalendersicht nach vorne orientiert. Oder anders: echte (und vermeintliche) Erfolge können sich der IdeenpatInnen gar nicht erwehren – Misserfolge interessiert niemanden oder es werden dafür andere (echt oder vermeintlich) Schuldige gesucht und gefunden. Die Politik hat kein Erinnerungsvermögen, das gilt für die PolitikerInnen selber, aber auch für die Wählenden und Abstimmenden.

Es ist zwar noch nicht mit absolut letzter Sicherheit nachgewiesen, dass es den Mensch gemachten Klimawandel gibt (wobei: wer angesichts der vorhandenen Erkenntnisse zweifelt, kann ohne Einschränkungen als „Climate Criminal“ bezeichnet werden. Und muss sich denn die Frage gefallen lassen, ob denn der Mensch gemachte Klimawandel nachweislich nicht stattfindet. Und was schlimm sein soll, wenn der Einsatz endlicher Ressourcen durch erneuerbare Energien aus nachhaltiger Nutzung abgelöst wird.

Analog auch beim so genannten „Atomausstieg“: auch hier geht es darum, so rasch als möglich auf den Einsatz nicht-erneuerbarer Ressourcen, deren Nutzung zu massivsten Auswirkungen auf den Lebensraum Erde führt, zu verzichten. Offensichtlich: zukünftig wird der Strom teurer, unabhängig von der Produktionsart – an der effizienten Nutzung führt nichts vorbei!

Die reale Welt ist nicht KISS-kompatibel – auch für die Politik gelten eindeutig zwei Aussagen von Albert Einstein: „Alles so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“ und “Man kann ein Problem nicht mit den gleichen Denkstrukturen lösen, die zu seiner Entstehung beigetragen haben.”.

Die Wahl- und Abstimmungs-Marketing-Maschine $VP ist ganz einfach keine Wahlempfehlung wert.