Keine geeignete Anwendung fürs Internet: Zürcher Wahl-Countdown 2003 von Tagesanzeiger, Radio 24 und TeleZüri ist nichts als ein übler Scherz

Abstimmungen im Internet sind allenfalls billige Unterhaltung, siehe hier. Als neuen Gag vor den Regierungsratswahlen präsentieren Tagesanzeiger, Radio 24 und TeleZüri ein Wahlvoting: Wer will, kann per Telefon oder per SMS für seine Kandidatin oder seinen Kandidaten stimmen – jeder Anruf oder jede SMS kostet die „Kleinigkeit“ von 50 Rappen. Für die Auswertung wird einfach jede Stimme prozentual ausgerechnet.

Mit den tatsächlichen Wahlen hat dieses Vorgehen überhaupt nichts zu tun. Im Kanton Zürich wird der Regierungsrat nach dem Majorzverfahren bestimmt. Wer gewählt werden will, braucht die Mehrheit der Stimmenden. Dies fordert die Kreativität beim eigentlichen Wahlvorgang. Die ungeeignetste Stimmabgabe ist die Zusammenstellung eines Wunschregierungsrates. Die kräftigste Stimmabgabe ist im Prinzip das Aufführen einer einzigen offiziellen KandidatIn und das Auffüllen der übrigen Linien mit zwar wählbaren, aber sonst nicht genannten Personen (wählbar sind grundsätzlich sämtliche Stimmberechtigte des Kantons Zürich). Dies führt in der Auswertung dazu, dass das absolute Mehr erhöht wird, aber nur die Wunschkandidatin/der Wunschkandidat eine Stimme erhält, die sie/ihn näher an das absolute Mehr bringt. Derartige Finessen lassen sich im Wahlvoting von Tagesanzeiger, Radio 24 und TeleZüri nicht einbringen.

Zudem: Die Teilnahme an Wahlen ist grundsätzlich gratis, eines der wesentlichen Elemente der Demokratie.

Weil weder das Wahlsystem noch die Demokratie berücksichtigt werden, ist das Wahlvoting ein ziemlich übler Scherz.

Empfehlung: Finger davon und das eingesparte Geld besser als Spende an IhreN WunschkandidatIn!


Zwischenstand Mitte März 2003:
Teilnehmende Wahlvoting TA R24 TeleZüri

Nach fast einem Monat wurde 500mal die Telefonnummer für das Wahlvoting angerufen – die LeserInnen, HörerInnen und ZuschauerInnen von TA, Radio 24 und TeleZüri liessen sich glücklicherweise nicht gerade in Scharen zur Teilnahme bewegen.

2 Bemerkungen:

  1. Woher kommt wohl der Rückgang? Es kann ja nicht sein, dass Teilnehmende ihren Telefonanruf zurückgenommen hätten – da muss wieder mal eine manipulierende Hand eingegriffen haben.
  2. Was auf der Darstellung nicht zu sehen ist: am 13.3.03 entfielen 36.6% der Telefonanrufe auf Gerhard Fischer. Dieser Kandidat liegt bei den repräsentativen Umfragen ziemlich zurück (was für den Wahltag gar nichts bedeutet).