Jedes Land hat die Regierung…

Wahrscheinlich stammt der Spruch „Jedes Land hat die Regierung, die es verdient“ nicht aus einer direkten Demokratie, sondern aus einer repräsentativen. Denn: in einer direkten Demokratie sind die Stimmberechtigten die Regierung – sie haben zur Koordination der politischen Vorgänge ein Parlament gewählt, dieses wiederum hat die Mitglieder der Regierung gewählt. Weil sich die Gesellschaft immer stärker zu einem pluralistischen Komplex entwickelt, gibt es immer weniger gemeinsame Interessen. Oder anders: reife Demokratien sind nicht führbar, weil die unterschiedlichen Interessen keine generell gültigen Ziele mehr ermöglichen. Auch wenn dies auch problematische Züge haben kann: nicht nur der Schweiz fehlt das Wir-Gefühl!

In dieser Situation werden Regierungsmandate zu Managementfunktionen. Nur schon deshalb ist die Volkswahl des Schweizerischen Bundesrates nicht zweckmässig, weil damit die Rollenverteilung nicht respektiert würde und zudem nicht erfüllbare Vorstellungen damit verbunden werden könnten.

Die Managementfunktionen einer pluralistischen Gesellschaft werden am besten durch Personen abgedeckt, die bei einer mindestens knappen Mehrheit des Wahlgremiums nicht anecken, denn in dieser Konstellation sind BundesrätInnen Dienstleistungspersonen. Je politischer positioniert, desto untauglicher sind die Gewählten für die Ausübung ihres Amtes! Es ist deshalb schlicht unverständlich, warum Parteien nur in ihrem Kreis nach möglichen Bundesratsmitgliedern Ausschau halten. Staatspolitisch gefährlich wird es gar, wenn die SVP verlangt, dass Bundesrats-KandidatInnen anderer Parteien ihren eigenen Vorstellungen zu entsprechen haben. Auch wenn die SVP leider einen zu hohen Wähleranteil hat, ist sie für sich allein betrachtet glücklicherweise eine Minderheitspartei – als Partei der ZechprellerInnen und EgoistInnen, als Partei, die in erster Linie die autokratischen Interessen eines altgewordenen Milliardärs berücksichtigt.

In dieser Situation ist es eine logische Folge, dass Bundesratsersatzwahlen zum Sauregurken-Sommerzeit-Theater werden. Auch groteske Botschaften wie jene des FDP-Parteipräsidenten Fulvio Pelli werden verständlich. Denn: im Bezug auf das persönliche Wohlbefinden kann es durchaus vorteilhaft sein, nicht in den Bundesrat eintreten zu wollen – die abgelöschten Bundesrats-Gesichter sind immer auch ein Spiegel dafür, dass hier an die politische Plackerei gewöhnte PolitikerInnen genötigt werden, eine koordinierende und ausgleichende Rolle zu übernehmen, und dies ohne klare politische Leitlinien.

Ein exemplarisches Beispiel ist die Haltung zum Thema Steuerhinterziehung/-betrug. Weil der SVPFDPCVP-Verbund nach wie vor der Irr-Ideologie des „Zuviel-Staat“ anhängt, und eines der Umsetzungsinstrumente dafür die Knapphaltung der Steuererträge ist, sind sowohl FDP wie SVP dafür, dass das Bankgeheimnis dafür missbraucht wird, dass reiche AusländerInnen ihr Vermögen vor dem heimischen Fiskus verstecken können, um sich nicht entsprechend der ökonomischen Leistungsfähigkeit an den Aufgaben des Staates zu beteiligen. Welche zukunftsgerichteten Absichten stehen hinter dieser eindeutigen Hehlerei?

Vorschläge zur qualitativen Weiterentwicklung der Schweizerischen Politikszene:

  • Eine Reform des Bundesrates ist dringend. Sowohl die Belastung durch die Koordinations- und Ausgleichsrolle als auch der Einbezug eines grossen Anteils der WählerInnen erfordern eine Vergrösserung des Bundesrates. Neun bis elf Mitglieder wären durchaus angemessen.
  • Zu prüfen ist, ob zumindest für eine Zeitspanne von zehn bis zwanzig Jahren ehemalige oder aktive Mitglieder des nationalen Parlamentes nicht mehr in den Bundesrat gewählt werden sollten; diese mögen Arena-tauglich sein, die meisten davon sind nicht lösungs-, sondern profilierungsorientiert. Nicht-ParteipolitikerInnen mit ExpertInnen-Know-how und allenfalls langjährige kantonale und städtische Exekutiv-Mitglieder sind ein mindestens gleichwertiger Ersatz.
  • Von grosser Bedeutung ist ein Minimalkonsens über die Leitlinien als Politikziele. Der Weltethos bietet sich dafür geradezu zwingend an. Allerdings ist die Politik kaum in der Lage, hier relevante Anstösse zu vermitteln. Es handelt sich dabei um einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs, der zuerst zivilgesellschaftlich anzudiskutieren ist.
  • Selbstverständlich ist auch eine Parteienreform angesagt. Auch wenn der Spruch von der Partei, welche mehr Flügel als Mitglieder zählt, ursprünglich für den sich vor einigen Jahren ziemlich schnell auflösenden LdU geprägt wurde: die schweizerische Parteienlandschaft ist von einer ausgeprägten auch parteieninternen Hetegeronität mit laufenden wechselnden Mehrheitsverhältnissen geprägt – schon Parteien enthalten in sich das Konkordanzelement, welches auch die nationale Politik bestimmt. Diese Doppelkonkordanz ist eine Überforderung auf dem Weg der Problemlösung.