Gewaltentrennung einhalten – Denken vor Tippen!

Die Schweiz hat derzeit eine schwerwiegende Demokratiekrise zu bewältigen: Alt- und Neunationalrat, Alt-Bundesrat Blocher, Anti-Demokrat, Multimillardär und alternder autokratischer Parteienbesitzer, ist einerseits davon zu überzeugen, dass die Schweiz keine Blocherdiktatur, sondern ein direkt-demokratischer Rechtsstaat ist. Andererseits sind die Medien – in einer Demokratie werden diese häufig als 4. Gewalt (neben Legislative, Exekutive und Judikative) – daran zu erinnern, das trotz populistischem Gratisjournalismus die Schweiz weiterhin ein direkt-demokratischer Rechtsstaat ist, nicht also die Medien die Rollen der drei eigentlichen staatlichen Gewalten zu übernehmen haben.

ParlamentarierInnen dürfen nicht ausser der Rechtsordnung stehen, insbesondere in einer direkten Demokratie, die aus Gewohnheit BerufspolitikerInnen nicht will. Es ist somit davon auszugehen, dass PolitikerInnen neben ihrer Legislativtätigkeit noch weitere Mandate ausüben – für diese sind sie wie jede und jeder StaatsbürgerIn rechtlich verantwortlich.

Demgegenüber ist es korrekt, wenn ParlamentarierInnen für das, was direkt und unmittelbar mit ihrem Legislativmandat zu tun hat, eine gewisse Immunität geniessen: eine absolute Immunität für „Äusserungen in den Räten und in deren Organen„, eine relative (d.h. aufhebbare) Immunität für strafbare Handlungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der amtlichen Stellung oder Tätigkeit stehen. So steht es im Bundesgesetz über die Bundesversammlung; die Bestimmungen über die relative Immunität wurden erst 2011 geändert. Im Bericht der staatspolitischen Kommission des Nationalrates zu dieser Aenderung steht folgender Satz: Ist die Sessionsteilnahme des Ratsmitglieds nicht gefährdet und stehen die Anschuldigungen nicht «im Zusammenhang mit seiner amtlichen Stellung oder Tätigkeit», so geniesst das Ratsmitglied keinen Schutz und kann wie eine beliebige Privatperson strafrechtlich verfolgt werden.

Steht das unbegründete, aber letztlich erfolgreiche Mobbing gegen den damaligen Präsidenten des Präsidiums der Schweizerischen Nationalbank, Philipp Hildebrand (Affäre Blocher-Lei), in unmittelbarem Zusammenhang mit der amtlichen Stellung oder Tätigkeit von Herrn Blocher als Nationalrat? Die Schweizerische Nationalbank ist rechenschaftspflichtig gegenüber der Bundesversammlung; dieser Rechenschaftsbericht ist Teil des Geschäftsberichtes der Nationalbank. Die Prüfung dieser Berichte erfolgt durch die Geschäftsprüfungskommissionen sowohl des Stände- wie des Nationalrates; diese Kommissionen erstatten den Gesamträten Bericht über ihre Prüfungstätigkeit. Diese Berichte werden vom Parlament zur Kenntnis genommen, also nicht etwa genehmigt. Herr Blocher ist nicht Mitglied der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates – somit gehören Rechenschaftsaspekte NICHT zu den unmittelbaren amtlichen Stellungen oder Tätigkeiten von Herrn Blocher. Fragen, die die Geschäftspraxis der Nationalbank betreffen, sind für Herrn Blocher nicht durch die relative Immunität eines Nationalratsmandats abgedeckt. Wenn die Staatsanwaltschaft zum Schluss kommt, Herrn Blocher zur Affäre Blocher/Lei zu befragen, ist somit das Immunitätsverfahren beim Parlament gar nicht in Gang zu setzen. Jede andere Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen ist willkürlich und weckt den Verdacht, dass eine rechtsstaatlich ausgeschlossene Bevorzugung von Herrn Blocher beabsichtigt ist. Die Reaktionen von Herrn Blocher und insbesondere seines Sekundanten Nationalrat Christoph Mörgeli lassen erahnen, dass Herr Blocher offenbar einiges zu verstecken hat.

An diesem Punkt kommen die Medien ins Spiel. Auch die Justiz ist mehrgliedrig aufgebaut; die verschiedenen Instanzen haben unterschiedliche Rollen. Aus einem Interview mit einer Staatsanwältin: Die Staatsanwaltschaft klagt im Zweifel an, das Gericht spricht im Zweifel frei. Wer Krimis liest, weiss, dass Ermittlungen zu einem „Sachverhalt“ langwierig und regelmässig von Überraschungen geprägt sind. Krimis sind in vielen Fällen erfunden – die Erfahrung zeigt aber, dass die „kriminellen“ Verhaltensweisen in Krimis durch die Realität regelmässig übertroffen werden. Die Medienberichterstattung macht aus jedem noch so unwichtigen Ermittlungsdetail sofort eine bewiesene Behauptung – dass dann jeweils noch das Wort „Unschuldsvermutung“ angefügt wird, ist bestenfalls Realsatire. Oder anders: Medien sollten nur dann über Ermittlungen in „Kriminalfällen“ berichten, wenn sie dabei auf das Wort „Unschuldsvermutung“ verzichten können!

Wenn die Staatsanwaltschaft mitteilt, bei einer Hausdurchsuchung sei „potenziell beweisrelevantes Material“ gefunden worden, und etwa die Auto-Zeitung (vormals Tagesanzeiger) daraus die Schlagzeile „Die Polizei ist bei Blocher fündig geworden“ bastelt, wird dieses Medium der Rolle als „vierte Gewalt“ nicht gerecht. Denn: die Staatsanwaltschaft würde solche Unterlagen im Hinblick auf die „Anklage im Zweifelsfall“ auswerten, wobei die Formulierung der Staatsanwaltschaft offen lässt, ob die Beweise be- oder entlastend zu werten sind. Die Schlagzeilenformulierung lässt dagegen keinen Spielraum offen: der Schuldspruch kann nur noch eine Frage der Zeit sein.

Für Strafermittlungen sind nicht ohne Grund Staatsanwaltschaft und Polizei zuständig – Medien, die nur mit Negativstories und Skandalisierungen aus der Rubrik „Sex and Crime“ Geld verdienen (können), gehören definitiv nicht in den rechtsstaatlichen Ermittlungskreis.

Warum Affäre Blocher/Lei und nicht Affäre Hildebrand? Offensichtlich ist, dass Herrn Hildebrand respektive seine Frau einzelne heikle Transaktionen, die aber von mehreren Überprüfungen übereinstimmend als letztlich gesetzes- und reglementskonform beurteilt werden, vorgenommen hat. Dass Herr Mörgeli trotz diesen Tatsachen die mehrfach überprüften legitimen Finanztransaktionen der Familie Hildebrand noch im März 2012 als „schlimme Sauereien“ bezeichnet, gehört definitiv zum realsatirischen Profil von Herrn Mörgeli. Die $VP respektive deren Alleinherrscher Blocher wollte den geldpolitisch excellenten Philipp Hildebrand weg haben – egal welche Machenschaften dazu erforderlich waren. Durch die parlamentarische Immunität kann ein solches Vorgehen nicht geschützt sein, zumindest wäre dies nicht im Sinne der ErfinderInnen dieses parlamentarischen Privilegs. Die Verbissenheit, die Herr Blocher und sein Umfeld beim Festhalten an der Immunität zeigen, lässt vermuten, dass selbst der Direktbetroffene an seiner eigenen Unschuld zweifelt.

Wenn offensichtlich eine grössere Anzahl der AkteurInnen weder denken nach faktenkundig sind, sollten die Medien nicht durch versuchte Skandalisierungen und dergleichen die Denk- und Faktenfreiheit nicht noch eskalieren lassen, sondern die Beteiligten zur Zurückhaltung und zur besonnenen Rede auffordern (das obenstehende Mörgeli-Zitat ist weder unter dem Aspekt der Meinungs- noch der Medienfreiheit publikationsfähig).