Gesucht: Teilzeit-Vegis

Die Bereitstellung der Lebensmittel für die wachsende Zahl von Menschen stellt eine erhebliche Umweltbelastung dar, die mit beiträgt zum Mensch gemachten Klimawandel. Die Bevorzugung regional produzierter und saisongerechter Nahrungsmittel, der biologische Landbau und die vegetarische Lebensweise werden in Energiespar- und Klimaschutz-Tipps-Sammlungen regelmässig empfohlen.

Der Journalist Hanspeter Guggenbühl hat 2008 in einem Artikel mit dem Titel „Wie Kalorien verpuffen“ Details zur Energiebilanz der schweizerischen Nahrungsmittelversorgung dokumentiert. Um die 2’700 kcal bereitzustellen, die ein Mensch in der Schweiz im Durchschnitt täglich benötigt, braucht es 16’000 Nahrungskalorien! Über 60 % davon gehen auf dem Umweg über tierische Mägen verloren, dies gilt sowohl für Fleisch wie auch für Milchprodukte und Eier. Rund 150 Gramm Fleisch ass die durchschnittliche Schweizerin, der durchschnittliche Schweizer im Jahre 2008. Ein Originalzitat aus dem Artikel von Hanspeter Guggenbühl: 700 kcal enden als Speisereste im Abfall oder als überflüssiges Fett im Wanst. Übrigens: an der gesamten täglichen Essensration (also sowohl die tatsächlich nötigen, aber auch die „weggeworfenen“ und zu viel gegessenen Kalorien) machen Nahrungsmittel tierischen Ursprungs rund 30 % aus.

In Deutschland macht es sich derzeit Ilse Aigner, Landwirtschaftsministerin, ziemlich schwer, siehe zum Beispiel ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung. Zunehmend kryptisch äussert sie sich zum Thema Fleischkonsum und Klimaschutz. Nicht weiter verwunderlich: die „Fleischlobby“ ist ziemlich mächtig, nicht nur in Deutschland.

Ich ernähre mich seit längerer Zeit vegetarisch, allerdings zusammen mit Milchprodukten und Eiern, sehr selten Fisch. Persönlich habe ich weder geschmacklich noch haptisch Fleisch als Genuss wahrgenommen. Ich zweifle nicht daran, dass im Gegensatz dazu für viele Menschen der Fleischgenuss unverzichtbar ist. Ebenso weiss ich selbstverständlich, dass meine vegetarische Lebensweise bis zu einem gewissen Grad Augenwischerei ist: das Fleisch der Milch- und EierproduzentInnen-Kette steht darum nicht auf meinem Speisezettel, weil im Durchschnitt übermässig Fleisch konsumiert wird. Oder anders: die Schweiz ist nun mal auch ein Grasland, und Rinder, Schafe und Co. sind eine der wenigen möglichen Verwertungsmöglichkeiten dieses Rauhfutters; möglicherweise gäbe es Alternativen Richtung Energierohstoff oder als Dämmmaterial. Wobei: in der Tendenz ist es sinnvoll, auch den Milchprodukte- und Eierkonsum zugunsten pflanzlicher Lebensmittel zu vermindern.

In der Konsequenz heisst dies: es ist aus Sicht des Klimaschutzes sehr bedeutungsvoll, wenn sich Menschen für eine Lebensweise als Teilzeit-Vegis entscheiden, zum Beispiel zu Beginn nur noch jeden zweiten oder gar dritten Tag Fleisch zu sich nehmen. Dies ermöglicht auch die erforderlichen Anpassungsschritte bei der „Fleischlobby“.

Vegetarisch heisst nicht, „einfach“ das Fleisch auf dem Menuplan wegzulassen. Fleisch enthält durchaus auch wichtige, sogar überlebenswichtige Nahrungsbestandteile. Teilzeit-Vegis haben in dieser Hinsicht keine oder kaum Probleme, eine ausschliesslich vegetarische Ernährung erfordert einen bewussten Umgang mit der Versorgung einzelner Vitamine. Die Rezeptsammlungen für vegetarische Mahlzeiten sind sowohl im Internet wie in den Buchhandlungen sehr umfangreich; im Gegensatz zu noch vor wenigen Jahren ist auch mindestens ein vegetarisches Menu in den meisten Restaurants eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Vielleicht helfen zu Beginn auch „fleischähnliche“ Ersatzprodukte – diese sind aber nicht zwingend erforderlich.


Dieser Text ergab sich einerseits aus den neckischen Artikeln um Frau Aigner (siehe oben), andererseits aber auch aus den absurden Diskussionen, zum Beispiel in den 400-Zeichen-Stammtischen, über das in der neuen Polizeiverordnung der Stadt Zürich vorgesehene Verbot von mitgenommen Privat-Grills in Parkanlagen – mit der Alternative festinstallierte Grill. Auch wenn es klar ist, dass die Kombination von GrillFEUER und FLEISCH steinzeitliche Emotionen bei vielen Menschen auslöst: warum ums Himmels willen muss der Fleischkonsum zum Beispiel in Seenähe damit verbunden sein, mit Einweggrills Brandlöcher in den gepflegten Rasen zu brennen und die gesamte Umgebung mit Bratwurst-Smog zu verpesten? Ein reichhaltiger Couscous-Salat beispielsweise bietet ähnlichen Genuss 😉