Energiestrategie: Inhaltlich enttäuschend, politisch kompromistig

Auch wenn National- und Ständerat mit deutlichen Mehrheiten der Energiestrategie 2050 zugestimmt haben, ist das Ergebnis der unendlich langen Debatten inhaltlich enttäuschend. Um im Parlament diese Abstimmungsresultate zu erhalten, waren Berge von inhaltlich fragwürdigen Kompromissen – eben Kompromiste – erforderlich. Diese Vorlage ist nicht einmal ein zögerlicher Schritt in eine fossil- und nuklearfreie Energiezukunft.

«Wenn wir es wirklich wollen» ist das Motto des Werkes «Kraftwerk Schweiz» von Anton Gunzinger – wenn wir es wirklich wollen, wäre es in zwei bis drei Jahrzehnten möglich, eine fossil- und nuklearfreie Energieversorgung zu erreichen. Dieses Wollen kommt in der Energiestrategie nicht zum Ausdruck. Im Gegenteil. Im Wesentlichen will der Kompromist an der gegenwärtigen Energiewirtschaftsstruktur festhalten und verzichtet auf die dringlich erforderlichen Weichenstellungen. Dass eigentlich nur die Umweltschutzorganisationen diese halbbatzige Energiestrategie loben, kann einzig mit dem Prinzip Hoffnung erklärt werden: dass nämlich die Energiepolitik von unten Früchte trägt und das leistet, was erforderlich ist, um so rasch als mögliche auf fossile und nukleare Energien zu verzichten.

Irritierend ist auch die getrennte Diskussion von Energie- und Klimaschutzpolitik. Die Umweltschutzorganisationen bezeichnen die anfangs September 2016 vom Bundesrat vorgestellte Klimapolitik nach 2020 als ungenügend, während die Heizöl- und Erdgas-Vereinigung (HEV, oder heisst dies wohl HausEigendümmerVerband?) die flauen Vorschläge des Bundesrates als zu weitgehend und zu extrem einschätzt.

Einmal mehr ist die Wortwahl entlarvend. In den Bestimmungen zur Energiestrategie 2050 heisst es etwa, dass Senkungen des Energie- und des Stromverbrauchs pro Person ANZUSTREBEN seien – also nichts von verpflichtender Verbindlichkeit.

Ebenso sieht es beim Klimaschutz aus. In den vom Bundesrat vorgeschlagenen Klimschutzbestimmungen heisst es: Mit diesem Gesetz sollen die Treibhausgasemissionen […] vermindert werden mit dem Ziel, einen Beitrag zu leisten, den globalen Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad Celsius zu beschränken. Es soll also nur ein «Beitrag» geleistet werden, es besteht somit gar nicht die Absicht, den übermässigen Ausstoss von Treibhausgasen durch die BewohnerInnen der Schweiz zwingend und verbindlich auf das erforderliche Mass zu beschränken, um wie in Paris vereinbart höchstens eine von Menschen gemachte maximale Temperaturerhöhung um 1.5 Grad Celsius einzuhalten.

Die schweizerische Energiestrategie muss, um den globalen Anforderungen zu genügen, bis 2040 einen vollständigen Ausstieg aus den fossilen Brenn- und Treibstoffen zwingend vorgeben, und es ist so rasch als möglich aus der Atomenergie auszusteigen. Alles andere ist ungenügend, da ändern weder Lob von Seiten Umweltschutzorganisationen noch Tadel von Seiten HEV etwas.

Der Energiestrategie-Kompromist ist in übermässiger Art und Weise auf die Ewiggestrigen und No-Future-Schweiz-Protagonisten eingegangen – wenn die SVP tatsächlich das Referendum ergreifen sollte, wird offensichtlich, dass diese rechtsnationale Propagandaorganisation in extremem Ausmass von der Atom- und Erdöl-Lobby ferngesteuert wird, bar jeder Sach- und Fachkenntnis in zentralen gesellschaftlichen Fragestellungen.

Einen ersten Pflock können die Stimmberechtigten der Schweiz anlässlich der Volksabstimmung am 27. November 2016 einschlagen: Ja zur Volksinitiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative!