Energiepolitik: klare Vorgaben auf dem Weg zu 100 % Ökostrom!

Die Strom-KundInnen wollen Ökostrom – auch die BKW will ihn nur eingeschränkt liefern. Gleichzeitig verlangt die EU von der Schweiz mehr Strom aus erneuerbaren Energien. Dass dies in der Schweiz nicht funktioniert, liegt an der absurden Atomenergiepolitik der grossen Stromproduzenten Axpo, BKW und Alpiq. Denn: obwohl der Bedarf für neue Atomkraftwerke in der Schweiz bei Null liegt, wollen diese drei Energiepolitik-Dinosaurier zwei wenn nicht gar drei dieser unnötigen, unsicheren, demokratieunverträglichen, nicht versicherbaren und unfinanzierbaren nicht-nachhaltigen Grosskraftwerke erstellen.

Erneuerbare Energien sind nachhaltig zu nutzen. Ein Aspekt dazu ist die gesellschaftliche Verträglichkeit. Mit den diversen Instanzenzügen und den ausgebauten Mitwirkungsrechten von Einzelpersonen und Verbänden setzt die Schweiz das Prinzip der direkten Demokratie um. Wenn nun die BKW Italien (Stichworte Berlusconi, Mafia, Korruption) und Deutschland (die Wespen-Koalition hat sich etwa in der Frage der unnötigen Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke von der Elektrowirtschaft kaufen lassen) als Vorbilder für (kritiklose) Bewilligungen versteht, ist dies hochgradig unverständlich und eine Beleidigung für das System der direkten Demokratie. Oder anders: weil die BKW im Kanton Bern am 13. Februar 2011 unbedingt eine Atomenergie-Abstimmung gewinnen möchte, sind offenbar selbst sehr schnell als PR durchschaubare Argumentationen nötig (ganz ehrlich: es gibt KEIN EINZIGES ARGUMENT für neue AKWs – alle Argumente bringen es sehr schnell auf den Punkt: neue Atomkraftwerke braucht die Schweiz nicht, braucht auch die Welt nicht).

Zur Wiederholung: auch erneuerbare Energien sind nachhaltig zu nutzen. Nur weil das Label „Erneuerbar“ draufklebt, bekommt dieser Strom keinen „Heiligenschein“ – gerade bei erneuerbarem Strom sind die Nachhaltigkeitsaspekte zentral, weil nur eine nachhaltige Stromproduktion zukunftsfähig ist. Wenn etwa Naturschutzverbände Einwände gegen z.B. Kleinwasserkraftwerke haben, ist dies nicht gegen erneuerbare Energien generell gerichtet, sondern ist als gesellschaftspolitische Nachhaltigkeitsforderung zu verstehen.

Ich bin kein Fan der EU-Energiepolitik. Ich halte insbesondere die Strommarktliberalisierung für einen der schlimmsten energiepolitischen Fehlentscheide der letzten 30 Jahre. Klar ist, dass die EU insbesondere wegen des hohen Kohleanteils in der Stromproduktion einen dringenden klimaschutzpolitischen Handlungsbedarf hat, darum auch die Forderung nach einer Erhöhung des Ökostromanteils. Die Schweizerische Stromwirtschaft hat allerdings einen relevanten Ökologievorteil verspielt: wie die Berichte des Bundes zur Stromkennzeichnung zeigen, wird rund 40 % des in der Schweiz produzierten Wasserkraftstroms ins Ausland verkauft! Dafür importiert die Schweiz 19 % Strom aus „nicht überprüfbaren Energieträgern“ – was fossile und/oder nukleare Quellen bedeutet. Dies heisst: würde der Schweizer Wasserkraftstrom auch tatsächlich in der Schweiz verbraucht, hätte die Schweiz das EU-Ziel für erneuerbaren Strom längst erreicht. Das dies möglich ist, zeigt das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz: 68.9 % des an Haushalte und Wirtschaft gelieferten Stroms stammte 2009 aus erneuerbaren Quellen, siehe auch 2000-Watt-Gesellschaft: wenn Physik energie- und klimaschutzpolitisch wird.

Viel gravierender ist es allerdings, dass die aktuelle EU-Energiepolitik derzeit daran ist, eine weitere vermeintliche Stärke der Schweizerischen Stromwirtschaft zu pulverisieren, nämlich die Pumpspeicherkraftwerke. Auch wenn derzeit etwa die Axpo 2.1 Mia Franken in ihr 1000-Megawatt-Projekt «Linthal 2015» mit der Pumpspeicher- und Spitzenkraftwerk-Kombination Limmernsee und Muttsee steckt, ist davon auszugehen, dass sich möglicherweise diese Investition nie lohnen wird (abgesehen davon, dass die Pumpspeicheridee auch bezüglich Energieeffizienz mehr als fragwürdig ist). Denn: Pumpspeicherkraftwerke waren eine gute Idee, als es darum ging, den variierenden Strombedarf mit zum Teil schnell reagierenden Wasserkraftwerken abzudecken. Der erhöhte Anteil an erneuerbaren Energien mit stark variabler Charakteristik verlangt nach einem völlig neuen Umgang mit der Uraltweisheit „Strom ist nicht speicherbar – aller momentan gebrauchte Strom muss auch momentan produziert werden“. Eine der Möglichkeiten stellt – allerdings mit einem kleinen Anteil – weiterhin die Pumpspeicherung dar. Gleichzeitig mit den Stichworten „Smart Metering“ und „Smart Grid“ werden derzeit fast im Wochenintervall neue Ideen vorgestellt, wie eine Entkoppelung von Stromproduktion und -verbrauch erreicht werden kann – von Plugin-Speichern (vom Elektroauto bis zum Handy) bis zur Methanisierung des aktuell überschüssigen Stroms und der Rückverstromung bei Strombedarf. Neben den Wirkungsgrad-Diskussionen spielen auch geographische Aspekte (Verortung Produktion und Verbrauch) und Ueberlegungen zur Verfügbarkeit der Höchstspannungsnetze eine Rolle. Angesichts der zunehmenden Diversifizierung der Stromproduktion – sowohl bezüglich Energiequellen als auch der Kraftwerksgrösse – nimmt die Relevanz der sogenannten Stromdrehscheibe Schweiz drastisch ab. Die Schweiz wird auch strompolitisch zur Rundungsgrösse im europaweiten Stromverbund.

Wenn die Schweizerische Energiewirtschaft tatsächlich beabsichtigen sollte, pro AKW mindestens etwa 10 Mia Franken, mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Bandbreite von 3 bis 5 Mia Franken nur nach oben, zu investieren, ist das eine für die Schweizerische Stromwirtschaft und insbesondere die KonsumentInnen letztlich unbezahlbare Hypothek. Es darf dabei nie vergessen gehen, dass die Schweiz im europäischen Vergleich sehr tiefe Strompreise hat (unter anderem darum, weil relativ viel Strom in längst abgeschriebenen Wasserkraftwerken produziert wird, dessen ökologischer Mehrwert zudem im Ausland verkauft wird). Soll die Schweizer Stromwirtschaft eine Zukunftschance haben, muss sie endlich zum Innovationsmotor werden – Atomkraftwerke erfüllen diese Anforderung definitiv nicht. Erneuerbare Energien erfüllen diese Anforderung – aber nur, wenn sie nachhaltig genutzt werden. Die Haltung etwa der BKW zu erneuerbaren Energien – und zum politischen Entscheidungsprozess für solche Anlagen – ist weder nachhaltig noch zukunftsfähig. Da sind noch einige Lernprozesse erforderlich!