economiesuisse: Lost in Space

Seit es mit Swiss Cleantech auch einen leicht ökologisch orientierten Wirtschaftverband gibt, befindet sich der traditionsreiche Wirtschaftsverband economiesuisse spätestens seit Fukushima völlig ausserhalb einigermassen nachvollziehbarer energie- und umweltpolitischer Bahnen. Die meisten Stellungnahmen von economiesuisse gehen nachweislich von falschen oder fehlinterpretierten Annahmen aus. Verheerenderweise stützt sich economiesuisse in der Oeffentlichkeit und den Medien nach wie vor auf einen unverständlichen guten Ruf.

„Massiv höhere Preise und Abhängigkeit von Gasimporten“ titelt economiesuisse am 18. Mai 2012 und behauptet, sich dazu auf Studien des (privaten) Institutes für
Wirtschaftsstudien Basel AG (IWSB), der IEA und Angaben des Bundesamtes für Energie abzustützen.

Ich habe mir diese Studien im Detail angesehen – und ich bin erschüttert über die Qualität der Arbeit insbesondere des IWSB und der economiesuisse selber. Da werden in diesen Unterlagen eine Menge Zahlen zusammengeschüttelt, kräftig gemixt und dann wieder ausgeschüttelt. Ich habe in 30 Jahren Lektüre von energiepolitischen Dokumenten noch selten ein derart zusammenhangloses Papier gelesen – eine Steigerung bietet nur noch die absurde Interpretation durch economiesuisse.

Nochmals als Klartext: die Studie der IWSB ist KEIN seriöser Beitrag zur Energiepolitik, und die Interpretation durch die economiesuisse ist absolut unbrauchbar.

Einige Schlussfolgerungen aus den PDF-Wülsten der economiesuisse:

  • Dass die Energie zukünftig teurer wird, ist völlig klar. Da die Preisentwicklung in den Ausprägungen „weiter wie bisher“ und „neue Energiepolitik“ aufgrund völlig unterschiedlicher und nicht kompatibler Vorgehensweisen ermittelt wurden, gibt es keine plausiblen Ausführungen zu den Unterschieden der Preisentwicklung von „weiter wie bisher“und „neue Energiepolitik“. Interessanterweise gibt es etwa aus Deutschland unterdessen eine ganze Reihe von neutralen Studien, die eindeutig aufzeigen, dass in der Tendenz die Preisentwicklung mit erneuerbaren Energien günstiger verläuft als bei der Weiterführung der bisherigen Energiepolitik mit einem hohen Anteil fossiler und einem relativ hohen Anteil nuklearer Energie.
  • Die von der economiesuisse angenommene Entwicklung des Stromverbrauchs ist bestenfalls abenteuerlich, in Realität schlicht nicht nachvollziehbar für Schweizerische Verhältnisse.
  • Einmal mehr wird klar, dass bezüglich Strom und anderen Energieträgern völlig andere Sichtweisen des Begriffs „einheimisch“ angewendet werden.
  • Die Wirtschaftlichkeit von Stromeffizienzmassnahmen hängt direkt von der angenommenen Strompreisentwicklung ab – es ist unseriös, eine früher publizierte Studie zum Stromeffizienzpotenzial zu zitieren, ohne auf allfällige methodische Differenzen hinzuweisen. Denn: sollte der Pfad „neue Energiepolitik“ tatsächlich zu deutlich höheren Energiepreisen als „weiter wie bisher“ führen, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von z.B. Stromeffizienzmassnahme.
  • Auffällig ist die vage Verwendung des Begriffes „Energie“ – economiesuisse spielt fahrlässig mit der politisch häufigen Synonymisierung von Strom und Energie.

Der economiesuisse ist zu raten, endlich die Finger von der Energiepolitik zu lassen – und sie jenen, z.B. Swiss Cleantech, zu überlassen, die davon bessere Kenntnisse haben.

Tragisch ist, dass auch beim UVEK respektive bei Bundesrätin Leuthard die economiesuisse nach wie vor eine wichtige beratende Rolle spielt.