Der Kanton Zürich als Städteplaner?

Kleine, mittlere, grosse, grösste Städte haben vielfach eine Gemeinsamkeit: grosse innenstädtische Grünflächen. Zürich ist zwar die grösste Schweizer Stadt, aber im internationalen Vergleich doch eher eine kleine Stadt. Auf jeden Fall: wirklich grosse innenstädtische Grünflächen gibt es nicht wirklich. Dies hat sehr viel damit zu tun, dass die Stadt Zürich zwar respektable Grünflächen anbietet, immer wieder wichtig bei der Beurteilung der Lebensqualität, aber der Kanton – und die Landbevölkerung hat in diesem Kanton die Stimmenmehrheit – regelmässig der Stadt stadtunverträgliche Lösungen aufnötigt: Autobahnen, Polizeikasernen, Polizei- und Justizzentrum, … Das gibt dann regelmässig Abzüge bei den Lebensqualitätsratings! Damit endlich etwas in Gang kommt, gibt es nur zwei Ansätze: es gibt endlich einen (Voll-)Kanton Stadt Zürich, oder der Kanton gibt seine „Herr im Haus“-Politik auf.

Gross ist wieder einmal der Frust bei den VerliererInnen der kantonsrätlichen Abstimmung über die angesichts der massiven Mehrkosten schon lange tote Planungsleiche Polizei- und Justizzentrum auf dem Güterbahnhofareal in Zürich Aussersihl: zwar haben die Stimmberechtigten diesem Monster-Bunker-Projekt 2002. Da wird wieder einmal eine unheilige Allianz bemüht (gibt es denn eigentliche auch heilige oder allenfalls heile Allianzen???). Es wird auch über den mangelnden Respekt vor den Stimmberechtigten geklagt – stimmt, diese haben 2003 tatsächlich, allerdings eher knapp (55 % Ja-Anteil können nicht als deutlich bezeichnet werden), diesem Polizei- und Justizzentrum zugestimmt. Stimmt, und sie haben 1991 sehr deutlich die Volksinitiative „Läbe i’d Kaserne“ abgelehnt. Allerdings wurde das PJZ auch damit begründet, das Kasernenareal freizugeben – aber wollten dies die Stimmberechtigten 1991 wirklich? Angemerkt wird, dass 60 Mio Franken Planungskosten aufgelaufen sind – immerhin eine relativ umweltfreundliche Geldentsorgung, haben doch etliche Menschen ihren Lebensunterhalt so bestreiten können.

Es gibt sogar Alternativen zum Polizei- und Justizzentrum, sowohl geografische als auch bezüglich Raumprogramm. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob tatsächlich ein erheblicher Teil der kantonalen Infrastruktur zentrumsnah in der „Hauptstadt“ installiert werden muss. Die Frage ist nun einfach, ob Regierungsrat und (knapp) unterlegene Parlamentsmehrheit – durchaus verständlich gefrustet nach einem jetzt schon ziemlich langen und ziemlich teuren Prozess – überhaupt an einer anderen Lösung interessiert sind. Von einem nicht existenten Polizei- und Justizwesen kann im Kanton Zürich auf jeden Fall nicht die Rede sein. Klar ist: es braucht endlich eine Öffnung des Kasernenareals für die Öffentlichkeit, ein bisschen mehr Grün und Lebensqualität für die Bevölkerung und die Erwerbstätigen in Zürich. Da ja die Verknüpfung mit dem PJZ nicht funktioniert hat, ist diese Teilaufgabe, welche ohne grössere Probleme lösbar ist (das Polizeigefängnis – ein Provisorium, unterdessen zum typischen Zürcher Durisorium geworden! – lässt sich gut auch an einem anderen Standort, und sei es auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs, provisorisch plazieren). Schliesslich stellt die Aufteilung von Aufgabenstellungen bekanntermassen eine deutliche Vereinfachung der Problemlösung dar. Divisor der Kleine lässt grüssen. Und diese temporäre Teillösung schafft möglicherweise den Lernraum, damit die mehrheitlich ländlichen Regierungs- und KantonsrätInnen sich in die Lage versetzen, realen Städtebau zu lernen und nicht einfach das Vollstellen eines Grundstücks mit Baumasse!


Nachtrag 21.9.2010

Nochmals Thema „mangelnder Respekt vor dem Volkswillen“. Das Gesetz für ein Polizei- und Justizzentrum Zürich vom 7.7.2003 ist ein offensichtlicher Murks – und befolgt definitiv den Einstein-Grundsatz „So einfach wie möglich, aber nicht einfacher“ nicht. Es sind zu viele Dinge eingebaut. Es kommt dazu: der Weg zu einem teureren Polizei- und Justizzentrum führt ausschliesslich über eine Aenderung dieses Gesetzes – da ist nämlich der Rahmenkredit plus minus Teuerung betragsmässig fixiert. Wenn nun dieses Justiz- und Polizeizentrum teurer wird, gibt es nur einen Weg dazu: das Gesetz für ein Polizei- und Justizzentrum Zürich MUSS zwingend geändert werden – der von Regierungsrat und einem Teil der Kommission vorgeschlagene Weg über einen neuen Rahmenkredit ist rechtlich schlicht nicht zulässig – hätte der Kantonsrat Ja gesagt, wäre damit eine tatsächliche Verletzung des Volkswillen erreicht worden. Oder anders: das Nein des Kantonsrates ermöglicht erst die Respektierung des Volkswillens! Es ist ganz einfach: das Gesetz ist zu ändern, und diese Gesetzesänderung ist dem Volk vorzulegen. Das ist dann so einfach wie möglich, aber nicht einfacher!

Erste Fassung 20.9.2010