Das Lob des kleinen Alltagsradius

Der moderne Mensch steigt aufs Velo. So schliesst ein Artikel von Philipp Löpfe im Auto-Anzeiger (früher Tages-Anzeiger) vom 5. August 2010. Anlass sind die Hintergründe der selbst vom Preisüberwacher nicht verstandenen Aufschläge der ÖV-Billettpreise.

Anlässlich der EXPO 2000 in Hannover titelte der Dresdner Verkehrsökologe Udo J. Becker: “Um die Mobilität zu erhalten, muss der Verkehr vermindert werden”. Analog dazu die Aussage von Philipp Löpfe: „Der Erfolg der S-Bahn [Zürich] wird zum Problem für die Schweiz„.

„Wenn Verkehr, dann ist der öffentliche Verkehr immer besser als MIEF, sorry MIV“ – diese Formel, dieses Mantra stimmt, ist aber unvollständig. So wie es Anfang der 80er-Jahre hiess „Alu sammeln ist gut, Alu meiden ist besser„, gilt analoges auch im Verkehr. Verkehrssparen, Verkehr vermeiden ist angesagt, bevor es darum geht, wie dieser Verkehr abzuwickeln ist.

Die Argumente sind vielfältig, sind zum Teil auch im Artikel von Philipp Löpfe aufgeführt – Raumplanung, Ökologie, siehe auch ein schon etwas älterer umweltnetz-Beitrag

Entsprechend dem Zitat von Udo J. Becker dient eine Politik des kleinen Alltagsradius, also der Verkürzung der PendlerInnen-Distanzen, tatsächlich der Erhaltung der Mobilität. Denn: Pendeln hat ehrlicherweise nichts mit Mobilität zu tun, sondern ist unnütze Zeit, die zwar zumindest zum Teil genutzt werden kann, zum Beispiel zum Lesen, aber eben doch unnütz bleibt.

Wer weniger pendelt, hat im persönlichen ökologischen Fussabdruck noch Platz für echte Mobilitätsbedürfnisse, beispielsweise Ferienreisen (bevorzugt nicht gerade per Flugzeug).

Der moderne Mensch steigt für Pendlerstrecken aufs Velo, sagt Philipp Löpfe. Ich ergänze, „… geht zu Fuss und bleibt zu Hause„! Das Velo für die tägliche Pendelstrecke zwischen Wohn- und Arbeits-/Ausbildungsort gibt ein gutes und individuelles Mass für eine akzeptable Unterwegs-Strecke. Was mit dem Velo täglich zurückgelegt wird, kann gelegentlich auch zu Fuss erfolgen – Stadtwandern schafft viele neue Einblicke in den eigenen Lebensraum. Und zu Hause bleiben: viele Jobs, viele Ausbildungsgänge erlauben dank den elektronischen Kommunikationsmitteln, dass beispielsweise ein Arbeitstag zu Hause ohne Probleme machbar ist, siehe Home Office Day-Aktion. Jeder solche Heimarbeitstag senkt die individuelle Verkehrsnachfrage um zwanzig Prozent! Und vielleicht gibts ja die Kaffeepause statt in der Büro-Cafeteria in der nächsten Quartierbeiz, in der Regel sogar rauchfrei!