Bundesrat widerspricht sich: warum versichern, was vorgeblich sicher ist?

Politik ist definitionsgemäss widersprüchlich, da es um den Ausgleich verschiedenster Interessen geht, und dies lässt sich nicht widerspruchsfrei lösen. Gewisse Widersprüche haben eine andere Dimension, nämlich dann, wenn die Politik absichtlich und bewusst laviert, dazu gehört die Atomenergiepolitik.

Frau Bundesrätin Doris Leuthard ist eigentlich nach wie vor für Atomenergie. Weil sie weiss, dass neue Atomkraftwerke (derzeit) nicht bewilligungsfähig sind, schlägt sie eine untaugliche Energiestrategie 2050 vor, zu der gehört, dass Atomkraftwerke, solange sie sicher sind, in Betrieb gelassen werden. Dies bekräftigte der Bundesrat an seiner Sitzung vom 15. März 2013 (bei der Ablehnung der Grünen Volksinitiative „Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative)“).

An der gleichen Sitzung hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur Kernenergiehaftpflichtverordnung eröffnet – ein Zitat aus der Medienmitteilung: die Prämien des Bundes für die schweizerischen Kernkraftwerke [sind zukünftig] rund 1,7 mal höher als die heute geltenden Prämien. So oder so: die privat und durch versicherten GAU-Kosten sind lächerlich im Vergleich mit geschätzten Schadenskosten von 4’000 Mia CHF.

Zu versichern ist nur, was unsicher ist. Die Versicherungsprämien sind üblicherweise Ausdruck einer Abschätzung der abzugeltenden Schadenskosten in Abhängigkeit der Eintretenswahrscheinlichkeit und der Schadenfolgen. Für die Atomenergie gelten andere Regeln, was einer massiven staatlichen Subventionierung der Atomenergie gleichkommt. Wenn die Versicherungsprämien um 70 % angehoben werden, heisst dies nichts anderes, als dass die Sicherheit des versicherten Objekts, in diesem Fall Atomkraftwerke, schlechter eingeschätzt wird als bis anhin. Das heisst: damit anerkennt der Bund, dass Atomkraftwerke nicht sicher sind – womit sie per sofort stillzulegen sind!

Festzuhalten ist: da die Atomenergie nicht nachhaltig genutzt werden kann, entspricht der Betrieb der Atomkraftwerke in der Schweiz nicht der Bundesverfassung. Da zudem für die Lagerung des Atommülls keine Gewähr besteht, müssten sämtliche Atomkraftwerke schon seit mindestens 20 Jahren ausser Betrieb stehen. Das weitere Festhalten an der Atomenergie durch den Bundesrat ist ein massiver Verstoss gegen die Bundesverfassung. Der Bundesrat handelt gegen die klaren Regeln des Rechtsstaats und gegen die direkte Demokratie – der Atomstaat ist antidemokratisch und willkürlich!


Nachtrag 18.3.2013

Die Versicherungsforen Leipzig haben im April 2011 eine Studie zur „Berechnung einer risikoadäquaten Versicherungsprämie zur Deckung der Haftpflichtrisiken, die aus dem Betrieb von Kernkraftwerken resultieren“ im Auftrag des deutschen Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) erstellt. Eine der Schlussfolgerungen: Müssten die Betreiber ihre Anlagen adäquat gegen nukleare Katastrophenfälle absichern, würde der Preis für eine Kilowattstunde (kWh) Atomstrom je nach Versicherungsmodell auf bis zu 2,36 Euro steigen. Das entspräche rund dem Zehnfachen des durchschnittlichen Haushaltsstrompreises. Die Risiken, die aus dem Betrieb der AKW resultieren, sind damit in der Praxis nicht versicherbar.

Was nicht versicherbar ist, kann nicht als sicher bezeichnet werden – Atomkraftwerke sind so rasch als möglich stillzulegen!


Als Hinweis: Was sicher ist, kann auch zu tragbaren Konditionen gegen eine unbegrenzte Schadenssumme versichert werden – jede Diskussion um AKW-Sicherheit und Versicherung weist eindringlich auf die Nicht-Nachhaltigkeit der Atomkraftnutzung hin!

Erste Fassung 16.3.2013