Braucht es den Untergrund zwingend für die Energiewende?

Nicht genügend fliessendes Wasser im tiefen Untergrund von St. Gallen, ausströmende Gasblase beim Bohren im „untiefen“ Untergrund für die Erstellung einer Erdsonde in St. Urban – zwei Meldungen aus der Schweiz Mitte Februar 2014. Da ist – zusammen mit weiteren Überlegungen – durchaus die Frage berechtigt, ob es den Untergrund zwingend für die Energiewende braucht.

Aus den Augen, aus dem Sinn: Untertagedeponien für Sonder- oder Atommüll, Tiefgaragen, Stadtdurchfahrten in Tunnels. Der Untergrund erfüllt „aus den Augen, aus dem Sinn“ vermeintlich bestens. 

Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings, dass mit „aus den Augen, aus dem Sinn“ die Herausforderungen nicht wirklich gelöst sind. 

Mit dem Verlegen einer Strasse in Untergrund-Tunnels werden keinerlei verkehrspolitische Herausforderungen gelöst. Auch Tiefgaragen und Tiefparkhäuser stellen keine wirkliche Problemlösung dar.

Die Sondermülldeponie Kölliken, zum Erstellungszeitpunkt nach dem besten damals verfügbaren Wissen erstellt, wurde sehr schnell zum Sanierungsfall. Auch in Deutschland werden Atommülllager wie etwa in Asse zum schwierig bis kaum lösbaren Problem, und dies wenige Jahre, nachdem das Lager für eine Lagerdauer von mehreren hunderttausend Jahren erstellt wurde.

Bis jetzt ist der Beweis nicht erbracht worden, dass der Untergrund für die dauerhafte und sichere Lagerung von Stoffen, die von Menschen und Umwelt ferngehalten werden müssen, taugt. 

Fracking gilt in den USA als Ausweg aus dem „Krieg gegen den Terror“, welcher in Realität ein „Krieg um Erdöl“ ist respektive schon bald war: mit dem durch Fracking gewonnenen Oel und Gas wird marktpolitisch gesehen die USA vom Erdöl-Grossverbraucher zum -Exporteur! Nur: Fracking hat einen immensen Preis – vergiftetes Trinkwasser, massiv erhöhte Methan-Emissionen als exemplarische Beispiele.      

Nicht nur das Fracking in den USA, sondern Erdöl- und Erdgasgewinnung auf der ganzen Welt zeigen, dass nicht einmal die Förderung von Erdöl und Erdgas als nachhaltig bezeichnet werden kann. Auch Transport und Nutzung/Verbrauch von Erdöl und Erdgas sind keinesfalls nachhaltig. Da es zudem ausreichende Alternativen zu Erdöl und Erdgas ist, gibt es keinerlei Notwendigkeit, diesen Raubbau an Mensch und Umwelt weiterhin zu betreiben.

Ist wenigstens die energetische Nutzung des untiefen und tiefen Untergrundes prinzipiell nachhaltig machbar? Erdsonden als Wärmequellen für den Betrieb von Wärmepumpenanlagen für die Wärmeversorgung von Bauten und für Sommerkomfort sind möglicherweise bei isolierten Einzelobjekten nachhaltig betreibbar. Dies heisst, dass nach Ende der technischen Nutzungsdauer der Untergrund für die Erstellung einer weiteren Erdsonde genutzt werden kann. 

Bei dichteren Überbauungen wie in Städten erfordert die nachhaltige Nutzung von Erdsonden eine thermische Regeneration z.B. mit Solarwärme oder der Energie aus der Umgebungsluft. Das untiefe Erdreich ist nicht mehr eine Wärmequelle, sondern ein Speichermedium für Wärme. Dazu gibt es kostengünstigere und weniger Platz beanspruchende Möglichkeiten, z.B. Eisspeicher. Für die Wärme- und ev. Kälteversorgung ist also die Nutzung des untiefen Untergrundes keine zwingende Erfordernis. Da zudem nicht bekannt ist, wie solche Erdsonden nach Ablauf der technischen Nutzungsdauer entfernt oder allenfalls ersetzt werden können, können Erdsonden in ihrer Gesamtheit nicht als nachhaltig bezeichnet werden. Es ist daher mit Vorteil auf die Erstellung von Erdsonden zu verzichten.

Das gilt auch für die als unsinnig zu bezeichnenden so genannten Anergienetze. Anergie gilt gemäss Wikipedia als „nicht arbeitsfähige Energie„. Da es sowohl theoretisch als auch technisch bereits realisierte Möglichkeiten gibt, etwa über thermoelektrische Verfahren auch bei sehr tiefen Temperaturen Strom zu produzieren, ist bereits der Begriff Anergienetz deplaziert. Wenn die Nutzung des Untergrundes zudem nicht nachhaltig möglich ist und es andere, sogar bessere Lösungen gibt, ist auf solche Netze zu verzichten.

Da voraussichtlich grosse Teile des Schweizerischen Mittellandes wie in St. Gallen nicht für Wärmenutzung des Tiefenwassers u.a. für die Stromproduktion geeignet sind, werden als Alternative petrothermale Systeme vorgeschlagen. Nach dem Misserfolg in Basel mit dem Deep-Heat-Mining-Projekt wird vorgeschlagen, tief im Untergrund von Horizontalbohrungen ausgehende, im Mini-Fracking-Verfahren erstellte Wärmeaustauscherflächen für die Dampferzeugung zu nutzen. Dieser Dampf würde an der Oberfläche für Stromproduktion und Abwärmenutzung zur Verfügung stehen. Da der Wärmeentzug im tiefen Untergrund dabei allerdings höher ist als die „Nachlieferung“ aus dem Erdinnern, müssten für jede dieser Strom- und Wärmeanlagen mehrere solcher Untergrundwärmetauscher-Systeme erstellt werden, die im Rotationsverfahren nur zeitweise genutzt werden können. Solche Projekte sind derzeit als Ideenskizzen zu bezeichnen – bei allem Optimismus ist nicht auszuschliessen, dass in einigen Jahren ähnliche Misserfolgsmeldungen wie jetzt in St. Gallen publiziert werden dürften. 

Was sind die Konsequenzen? Ist die Energiewende oder die Energiestrategie 2050 deshalb unmöglich? Da die „Energiepolitik von unten“ unabhängig von der untiefen und tiefen Geothermie verstärkt umzusetzen ist, sind keine grösseren Auswirkungen zu befürchten. Einmal mehr wird die Bedeutung von Suffizienz und Energieeffizienz betont, verbunden mit der Nutzung der Sonnenenergie und der Umgebungswärme unmittelbar am und um die Gebäude. „Zauberhafte Lösungen“ aus dem „Aus den Augen, aus dem Sinn“-Untergrund waren so oder so nicht zu erwarten. 

Die einzige Frage: macht es Sinn, Möglichkeiten zur thermischen Nutzung des Untergrundes mit viel Aufwand und Geld weiter zu erforschen, oder wäre es nicht klüger, Aufwand und Geld für die Stärkung der „Energiepolitik von unten“ zu verwenden? Ich persönlich empfehle, den Untergrund bleiben zu lassen und dafür verstärkt auf die Energiepolitik von unten zu setzen.