Auch Tunnels sind Strassen – Zürcher Regierungsrat macht Aprilscherz

Erster April – traditionell Tag der Scherze. Auch der Zürcher Regierungsrat hat einen solchen Scherz präsentiert. Er will unter der Stadt Zürich einige Kilometer Strassen-Tunnels bauen. Und propagiert damit einmal mehr ausschliessliche Förderung der Bauwirtschaft, und verzichtet damit auf eine verkehrspolitische Verantwortungsübernahme.

Aus einem Medienbericht zu diesem Aprilscherz: „Als Nachteile nannte sie neben den hohen Kosten den zusätzlichen Verkehr und die Umweltverschmutzung. Allein der Stadttunnel wird das Verkehrsaufkommen im Stadtgebiet um fünf Prozent vergrössern. Die Bilanz sei aber dennoch positiv, sagte Fierz.“ Vorerst ist festzuhalten, dass eine Bilanz prinzipiell nicht positiv sein kann, wenn die Umweltverschmutzung steigt!

Mit diversen neuen Strassen-Tunnelbauten unter der Stadt Zürich soll nach Absicht der Zürcher Regierung der Strassenverkehr um weitere 5 Prozente gesteigert werden – obwohl längst bekannt ist, dass die Strassenverkehrsmenge bereits heute viel zu gross ist, z.B. aus Sicherheitsgründen, wegen des Ressourcenverbrauchs, wegen des Ausstoss von Treibhausgasen und wo weiter und so fort. In erster Linie werden die beiden visuell auffälligsten Verkehrsbausünden – die Sihlhochstrasse und die Westtangente resp. die Rosengartenstrasse – unter den Boden gelegt. Nach dem klassischen „Vogel Strauss“-Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn.

Verkehrspolitik wäre etwas anderes: „Um die Mobilität sicherzustellen, braucht es weniger Verkehr“, sagt der Dresdner Verkehrsökologe Udo J. Becker. Gefordert sind also weniger statt mehr Fahrzeugkilometer! Zur Kaschierung der verkehrspolitischen Untätigkeit erwähnt der Regierungsrat zuerst bereits geplante Vorhaben zur Förderung des öffentlichen Verkehrs und meint, dass dies nicht ausreichen werde. Nur schon die finanziellen Grössenordnungen sind ein Skandal: für den geplanten Durchgangsbahnhof Löwenstrasse mit Doppelspurtunnel nach Oerlikon sind 1.45 Mia Franken erforderlich – für die Strassentunnels locker das Doppelte. Es braucht eigentlich gar keine weiteren Argumente: echte Verkehrspolitik verlangt, dass keine neuen Strassen mehr gebaut werden, und das dadurch eingesparte Geld zu einem Teil für gezielte Ausbaumassnahmen im öffentlichen Verkehr verwendet wird. Und die Raumordnungspolitik ist darauf auszurichten, dass nur dort Entwicklungen stattfinden, wo der entstehende Verkehr durch den öffentlichen Verkehr aufgenommen werden kann. Mit ihren Tunnelitis-Projekten reagiert die Zürcher Regierung bloss auf das schon längst bekannte Versagen der Raumplanung!

Was ist zu tun? Ein erster Schritt ist ein sprachlicher: Derzeit werden die Begriffe „Mobilität“ und „Verkehr“ als Synonyme gebraucht. Dies ist völlig falsch.
Mobilität ist ein Menschenrecht. Es geht um die Freiheit, dass Menschen selber über ihren Aufenthaltssort bestimmen können, auch dies unter Beachtung bestimmter Regeln.
Beim Verkehr geht es darum, wie und unter welchen Bedingungen Bedürfnisse nach Ortsveränderungen abgedeckt werden.
Wie immer ist zu beachten, dass Ansprüche von Einzelpersonen keine nachteiligen Auswirkungen auf das Gesamtsystem haben dürfen. Dies führt dazu, dass generell nur Verkehrssysteme angeboten werden dürfen, die möglichst geringe negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Zudem ist sicherzustellen, dass die Verkehrsbeanspruchenden die verursachten Kosten vollständig abdecken. Beide Bedingungen sind derzeit im Verkehrssystem bei weitem nicht erfüllt. Statt über Bauprojekte für Stadttunnel, Waidhaldetunnel etc zu informieren, täte die Zürcher Regierung gut daran, endlich ernsthafte Schritte zu unternehmen, um die lügenden Verkehrskosten zu korrigieren und für Kostenwahrheit im Verkehr zu sorgen.

Die am 1. April 2005 vorgestellten Bauabsichten für Strassentunnels müssen so schnell als möglich zu April-Scherzen erklärt werden – und müssen Platz machen für verkehrspolitische Lösungen, die ausschliesslich den öffentlichen Verkehr fördern und für die Kostenwahrheit im Verkehr sorgen, zum Beispiel als erster kleiner Schritt mit einer CO2-Abgabe auf die (fossilen) Treibstoffe Diesel und Benzin!