Auch für Medienschaffende: nur Fakten!

Medien würden, so wird hin und wieder gesagt, heute auf der Rückseite von Inseraten die News von gestern auf dem Altpapier von morgen abdrucken. Im Internetzeitalter ist dies zu erweitern: Irgendwo zwischen den blinkenden Internet-Ads findet sich ein schäbiges Textchen mit Schein-Bad-News von irgendwann, welches in kürzester Zeit bloss noch ein Eintrag in der Browser-History ist, allenfalls ergänzt mit irgendwelchen mehrheitlich schäbigen Sprüchen in den Online-Stammtischen unten an den Textchen.

Dabei bleiben Faktentreue und Informationsgehalt auf der Strecke – angestrebt werden in populistischer Art und Weise offenbar nur möglichst viele Kommentare, egal, wie inhaltsreich und sachkompetent diese sind. Die Medien und viele ihrer Leser (bewusst nur die männliche Form) sind offenbar noch nicht in der Wissens- und Informationsgesellschaft angekommen.

Ein weiteres Beispiel: In „Schweiz am Sonntag“ vom 12.10.2014 steht ein Artikel mit dem Titel „Die neue Durchmesserlinie ist zu steil für die Loks der SBB„. Der Artikel läuft darauf hinaus, um jeden Preis irgend wem einen Planungsfehler unterstellen zu können. tamedia mag da nicht stillhalten und bringt ebenfalls einen Beitrag mit dem Titel „Durchmesserlinie zu steil für den Intercity“ – bereits im Lead erscheint das Wort „Fehlplanung“. Nun, die meisten Online-Stammtischkommentare übernehmen diesen Steilpass und fahren allem möglichen an den Karren, von den in- und ausländischen PlanerInnen über die SBB-Spitze bis zu ….

Ganz einfach: Da hat schon bei der „Schweiz am Sonntag“ der Faktencheck nicht funktioniert, und er wurde auch bei tamedia nicht nachgeholt. Neckisch: Bei der „Schweiz am Sonntag“ geht es im Titel um (alle) SBB-Loks; bei tamedia wird die Aussage auf „den Intercity“ bezogen – es gibt allerdings mehrere Intercity-Linien, die in Zürich verkehren, mit sehr unterschiedlichem Rollmaterial. Es geht übrigens nicht um die gesamte Durchmesserlinie, es geht um einzelne Abschnitte auf der Ausfahrt aus dem neuen Bahnhof Löwenstrasse Richtung Westen!

Zentral aber: Die Herausforderung mit den steilen Gleisabschnitten ist längst bekannt! Die Zürcher Stimmberechtigten haben am 23. September 2001 Durchgangsbahnhof und Durchmesserlinie zugestimmt, im Wissen darum, dass in diesem Projekt steile Streckenabschnitte vorgesehen sind. In der Abstimmungszeitung zu dieser Vorlage steht: Damit die Zufahrt zu
den oberirdischen Hallengleisen 3-6 auch künftig gewährleistet bleibt, muss das Niveau des unterirdischen Bahnhofs schon sehr früh erreicht werden, was ein verhältnismässig steiles Rampengefälle erfordert. Dieses beträgt im obersten Abschnitt gegen 40 Promille. Dies ist zwar ein für SBB-Linien aussergewöhnlicher Wert, der aber von den meisten im regionalen und überregionalen Verkehr zum Einsatz kommenden Zügen ohne besondere Probleme überwunden werden kann. Mit entsprechenden Massnahmen sind die betrieblichen Anforderungen auch für die übrigen Zugsgattungen erfüllbar.

Wenn die SBB im Sommer/Herbst 2014 Testfahrten im Hinblick auf die Fahrplanänderung Ende 2015 durchgeführt haben und nun aus diesen Tests „entsprechende Massnahmen“ ableiten, entspricht dies genau dem, was in der Abstimmungszeitung aus dem Jahr 2001 stand. Mit Fehlplanung hat dies nichts zu tun, im Gegenteil: Sowohl 2001 wie im Sommer/Herbst 2014 wurde und wird vorausschauend geplant! Das ist definitiv eine Positivmeldung, was offenbar aber nicht in den aktuellen Medientrend des „Bashing Everything“ passt!

Bei den Online-Stammtischen fehlen interessanterweise Beiträge, die auf den fehlenden Faktencheck bei den Medien hinweisen – es ist davon auszugehen, dass solche Kommentare durch die Redaktionen vorsätzlich nicht freigeschaltet werden.

Auch Sonntags- und andere populistische Medien können auf Dauer nur funktionieren, wenn die vermittelten Informationen auf Fakten beruhen. Alles andere ist opportunistische Realsatire.