Atomenergie: wiederholt sich die Geschichte?

Am 13.2.2011 haben die BernerInnen konsultativ hauchdünn für ein neues Atomkraftwerk Mühleberg plädiert – mit dem altbekannten Stadt-Land-Graben: die StädterInnen mit Wohnsitz Bern, Biel/Bienne oder Thun votieren deutlich gegen Atomenergie, das Land ist für die Atomenergie. Im übrigen lagen die Ergebnisse dieser Konsultativabstimmung erstaunlich nahe beim Berner Resultat vom 23. September 1990 zur Vorlage Nr. 365 auf Bundesebene Volksinitiative ‚für den Ausstieg aus der Atomenergie‘: 48.4 % der BernerInnen stimmten damals für eine Zukunft ohne Atomenergie, diesmal waren es geringfügig mehr mit 48.8 % der Stimmen. Wiederholt sich die Geschichte?

Energiepolitik reduziert sich in der öffentlichen Wahrnehmung häufig auf die Stromversorgung mit Schwerpunkt Atomenergie. Dabei macht der Strom gerade mal 23.6 % des Endenergieverbrauchs der Schweiz aus – 41 Prozent davon stammten 2007 aus der Atomenergie-Nutzung. Es geht also um weniger als 10 Prozent des Energieverbrauchs.

Bei der Beurteilung der Atomenergie spielen energietechnische, energiepolitische, energiemarktliche oder kernphysikalische Fachkenntnisse nachweislich keine Rolle. Einstellung, politische Zugehörigkeit haben einen Einfluss bei der Entscheidfindung, entscheidend ist aber das Marketing. Schon immer haben die Atomenergie-LobbyistInnen die positiven Voten quasi gekauft oder mit PR-Methoden heranmanipuliert. Solange die Schweiz solche Intransparenzen akzeptiert, gehört halt PR zum Politikgame, unbelastet von jeglichem Fachwissen.

Aus sämtlichen Fachoptiken ist klar: Atomenergie ist für die Stromproduktion völlig unnötig, es gibt überreichliche Alternativen! Interessant etwa, dass beispielsweise der Regierungsrat des Kantons Zürich in seinem Energieplanungsbericht 2010 aus der behaupteten, allerdings aus verschiedenen Gründen gar nicht möglichen Stromlücke bereits eine StromSELBSTVERSORGUNGSlücke gemacht hat, und dabei einfachheitshalber die Atomenergie zu den einheimischen Energien zählt – nachdem es der Schweiz noch nicht einmal gelungen ist, ein „Endlager“ für den radioaktiven Abfall zu finden. Oder wie es der Zürcher Regierungsrat Markus Kägi, ein typischer $VP-Zechpreller, formuliert hat: Der Zürcher Regierungsrat ist zwar für neue Atomkraftwerke, aber will weder ein solches Kraftwerk noch ein Endlager auf Kantonsgebiet.

Realsatirisch wird es dann, wenn die Atomlobby den Klimaschutz bemüht. Denn nachweislich gehören die gleichen Kreise, die für die Atomenergie plädieren zu jenen mehr oder weniger ausgeprägten Climate Criminals, die zumindest mehr oder weniger deutliche Vorbehalte zum Mensch gemachten Klimawandel anbringen. Soviel einfach zum Thema Redlichkeit, oder ist dies einfach zeitgemässe Beliebigkeit?

Das Ja der StädterInnen zu einer Zukunft ohne Atomenergie ist – neben der traditionell links-grünen Grundhaltung – auf die überzeugende Arbeit der städtischen Energieversorgungsunternehmen zurückzuführen. Was diese städtischen Werke realisieren, und zwar nicht nur in der Schweiz, bringt tatsächlich die atomfreie Zukunft schrittweise heran. Dies hat sehr viel damit zu tun, dass diese Werke unter direkter demokratischer Kontrolle der Politik stehen – und nicht Spielwiesen von auch als VerwaltungsrätInnen agierenden RegierungsrätInnen vor allem von SVPFDPCVP sind. Bezeichnend die Reaktion des EKZ-Direktors Urs Rengel auf die Ankündigung der Lancierung der kantonalzürcherischen Volksinitiative „Strom für morn„: das EKZ verkaufe bloss das, was die KundInnen wünschen. Wirklich? Kaum zu glauben, dass einzig die Stadtgrenze dafür sorgen soll, dass die StadtzürcherInnen 75 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen verbrauchen, während man ausserhalb der Stadt gerade mal 25 Prozent erneuerbaren Strom verbraucht. Ganz einfach: EKZ-KundInnen – ganz im Gegensatz zu den ewz-KundInnen, nur sehr beschränkt Wünsche zur Stromqualität anbringen. Nein, Herr Rengel, der hohe EKZ-Atomstromanteil ist nicht der KundInnen-Wunsch, sondern das energiepolitische Fehlverhalten Ihres Verwaltungsrates. Auch dieser ist schliesslich von den PR-Abteilungen der Atomlobby ferngesteuert.

Da es keine fachbezogenen Gründe für (bestehende und) neue Atomkraftwerke gibt, kann das Festhalten an der Atomenergie nur emotional begründet sein, etwa eine Fortsetzung der bisherigen Nicht-Politik, weil ein Abweichen von dieser Position als Kritik am der bisherigen Nicht-Politik verstanden werden könnte. Ein erster Schritt dazu wäre das Zurückschalten der PR-Zwängereien. Falls dies nicht passiert, droht die Situation, dass die Schweiz in eine Technologie investiert, die die SchweizerInnen eigentlich gar nicht wollen – und dabei den Anschluss an Zukunftstechnologien verpasst. Ganz klar: Clean Tech, immerhin eine Strategie des Bundesrates, passt nicht zur dreckigen Atomenergie!

Für eine atomenergiefreie Stromversorgung: kein Bedarf für neue Atomkraftwerke!