Angst vor dem Klimawandel?

Angst sei ein schlechter Ratgeber – da ist es geradezu blöd, wenn eine Zeitschrift wie der SPIEGEL die Deutschen nach ihren Angstzuständen zum Klimawandel befragt. Glücklicherweise ist selbst gemäss dieser dümmlichen Umfrage die Angst am Abnehmen.

Angst ist – wenn überhaupt – nur angemessen bei Situationen, denen Menschen hilfslos ausgeliefert sind. Ein Erdbeben beispielsweise hat gewisse Elemente einer solchen Situation. Dem Klimawandel sind die Menschen nicht hilflos ausgewiesen – die Menschheitsgeschichte ist immer auch eine Geschichte der Anpassung an ein sich wandelndes Klima. Der Mensch gemachte Klimawandel – wegen des übermässigen Verbrauchs von fossilen Brennstoffen – verlangt wohl überlegtes Handeln, verlangt kühlen Kopf. Angst war und ist nie angezeigt. Gerade sensationslüsterne Medien wie der SPIEGEL haben einen eigentlichen Angsthype konstruieren wollen.

Fakt ist: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird der übermässige, Mensch gemachte Ausstoss von Treibhausgasen weltweit das Klima schneller verändern, als dies in der Menschheitsgeschichte je der Fall war. Die Folgen sind – wie jede Prognose, die die Zukunft betrifft – nicht exakt voraussagbar. Wer an solche Prognosen wissenschaftliche Ansprüche formuliert, hat wesentliche Elemente sowohl des wissenschaftlichen Arbeitens als auch des globalen Klimasystems nicht verstanden. All die Debatten rund um Climategate sind schlicht unseriös und offensichtlich von der Erdölwirtschaft gesteuert und inszeniert. Es geht dabei ausschliesslich darum, das Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC zu lähmen; denn spätestens mit der Verleihung des Friedensnobelpreises hat dieses Gremium eine Reputation erhalten, welche der Erdöllobby nicht zusagt.

Grundsätzlich gibt es zwei Extrem-Handlungsszenarien:

  1. Anpassungsszenario: Die Menschheit könnte sich darauf verlassen, dass es wie bis anhin gelingt, sich an die Klimaveränderungen anzupassen. Die Geschichte zeigt allerdings, dass es dabei immer wieder zu massivsten Gewaltexzessen mit unermesslichem Leid gekommen ist.
  2. Vorsorgeszenario: Im Sinne der Vorsorge könnte die Menschheit ab sofort auf die Verwendung fossiler Brenn- und Treibstoffe verzichten – oder den Verbrauch dieser Ressourcen in einer unterdessen schon fast als Kompromiss zu bezeichenden Variante wenigstens deutlich zu vermindern.

Der ehemalige Chefökonom der Weltbank Sir Nicholas Stern hat im Auftrag der britischen Regierung ermittelt, dass das Vorsorgeszenario wesentlich günstiger kommt als das Anpassungsszenario. Nur ein Prozent des BIP ist dafür notwendig, während das Anpassungsszenario fünf Prozent des BIP erfordert. In der klassischen Sicht der Ökonomie zeigt sich dabei allerdings eine Schwäche des Vorsorgeszenarios! Weil beim BIP auch „End of Pipe“-Lösungen, also Symptombekämpfung, einen positiven Beitrag zum BIP leistet, gefällt den bürgerlichen ÖkonomInnen dieses Szenario deutlich besser – es entsteht derzeit ein zumindest informelles Bündnis zwischen der Erdölwirtschaft und diesen BIP-fixierten ÖkonomInnen. Jüngstes Beispiel: der nicht immer sehr weise, aber unabhängige Wissenschaftliche Beirat des deutschen Bundesministeriums der Finanzen kommt zum Schluss, dass Anpassungsmassnahmen besser seien, weil diese ausschliesslich Deutschland zu Gute kämen, während Vorsorgemassnahmen globalen Nutzen hätten – und nur ausreichende Wirkung zeigten, wenn alle dies täten.

Zu befürchten ist allerdings, dass nicht nur dieser wissenschaftliche Beirat eher vorführt, dass ÖkonomInnen ihre Arbeit mit aufgesetzten Scheuklappen verrichten (es gibt auch Ausnahmen!). Ganz einfach: es gibt noch weitere Aspekte zu berücksichtigen! Fossile Brenn- und Treibstoffe sind begrenzt – Peak Oil, Peak Gas sind realistische Szenarien. Es ist absehbar, dass die Welt – unabhängig vom Mensch gemachten Klimawandel – in nicht allzu fernen Zeiträumen von Oel und Gas weg muss. Oder wie es IEA-Chefökonom Fatih Birol formuliert: Wir sollten das Öl verlassen, bevor das Öl uns verlässt.

Zudem sind fossile Rohstoffe geopolitsche Instabilitätsfaktoren – Krieg für Oel ist leider Realität. Jeder eingesparte Tropfen Oel, jedes nicht verbrauchte Erdgasvolumen trägt letztlich zur Friedenssicherung bei.

Wird weniger Oel und Gas verbraucht, hat dies auch lokal Auswirkungen, weil weniger Luftschadstoffe ausgestossen werden. Zudem erhöht dies die Marktchancen erneuerbarer Energien – mit voraussichtlich einem grösseren lokalen Wertschöpfungsanteil als Öl und Gas.

Im übrigen ist davon auszugehen, dass angesichts der üblichen politischen Wursteleien – siehe Weltklimagipfel Kopenhagen – sowohl das Vorsorge- wie das Anpassungsszenario erforderlich sein werden. Klug wäre es auf jeden Fall, zumindest derzeit dem Vorsorgeszenario deutlich mehr Gewicht zu geben! Als symbolisches Zeichen für kühles Handeln – statt lähmende Angst – für den Klimaschutz: Earth Hour!