80 Prozent stehen hinter dem Bundesrat

Sprachbilder haben es in sich: „80 Prozent stehen hinter dem Bundesrat“ – der Titel eines Zeitungs-Artikels über das Ergebnis einer Meinungsumfrage (zum energiepolitischen Nicht-Entscheid des Bundesrates für eine AKW-Ausfransel-Strategie).

Der Bundesrat ist ein Siebnergremium – also haben diese 80 Prozent ebenfalls in Siebnerreihen hinter dem Bundesrat zu stehen. 80 Prozent von was überhaupt? Weil es um Politik geht, dürften wahrscheinlich Stimmberechtigte gemeint sein. Davon gibt es im Jahr 2011 laut Bundesamt für Statistik 5’092’212. Wenn sich 80 Prozent davon in Siebnerreihen mit etwa 80 cm Abstand zwischen den Reihen aufstellen, ergibt dies eine Menschenschlange mit einer Länge von etwa 466 km. Die maximale Ost-West-Distanz in der Schweiz beträgt 348.4 km – mit etwas Schlängeln durch die Landschaft würde dies gerade von Ost nach West reichen. Nur: bei solchen Volksabstimmungen ist die Stimmbeteiligung eher klein, vielleicht 30 %. Dies lässt die Menschenschlange deutlich schrumpfen, nämlich auf noch 140 km – dies entspricht nicht einmal mehr der maximalen Nord-Süd-Ausdehnung der Schweiz von 220.1 km. Allerdings wäre es ja kaum praktikabel, dass etwas mehr als 1.22 Mio Menschen sich tatsächlich in einer solchen Siebnerkolonne aufstellen. Also einmal mehr ein völlig unbrauchbares Sprachbild. Wie wäre es etwa mit „eine grosse Mehrheit der Stimmberechtigten unterstützt die Position des Bundesrates“?

Im übrigen: ich nehme aus Prinzip nicht an Umfragen teil, bin aber skeptisch gegenüber Umfragen, bei denen ich nicht befragt wurde. Zudem: wo würde meine Meinungsäusserung gezählt – ich bin nicht für das AKW-Ausfransel-Szenario des Bundesrates, weil ich es für apolitisch, mutlos, visionslos, phantasielos und so weiter halte, lehne es aber nicht ab, weil es nicht so völlig daneben ist wie die Vorstellungen von economiesuisse.