2000-Watt-Gesellschaft und Blocheranismus

Die 2000-Watt-Gesellschaft ist eine Energie- und Klimaschutzpolitik-Strategie, die umfassenden Nachhaltigkeitsansprüchen genügt. Der Stil der $VP-Blocher-Partei – Widerstand aus Prinzip egal gegen was aus Prinzip – färbt immer mehr auch auf Medien und Gesellschaftspolitik ab. Wie hier schon diverse Male aufgezeigt, ist gerade die 2000-Watt-Gesellschaft ein „Opfer“ dieses blocheranistischen Widerstandes.

Als physikalisches Konstrukt mit starken Impulsen für die Energie- und Klimaschutzpolitik ist die 2000-Watt-Gesellschaft in einem Umfeld, welches geradezu unaufgeklärt unwissenschaftlich auf der Basis von dunklen Ängsten und unangemessenen Ansprüchen operiert, sehr plump angreifbar, nämlich durch schlichte Nicht-Beschäftigung mit den ziemlich komplexen Sachverhalten der aktuellen Situation. Oder anders: das Problem dieses Landes ist die bewusste Verdummungspolitik der $VP, sicher nicht die Vermummung einiger DemonstrantInnen an kalten Winter- und anderen -Tagen).

P.S. Ich bezeichne üblicherweise diese $VP-Haltung als Zechprellerei. Wenn der neue Politblog des Tages-Anzeigers – auch zur Verdunkelung der immer deutlicher werdenden $VP-Affinität der Tamedia-Gruppe – folgendes schreibt: „In nahezu allen europäischen Regionen mit einem halbwegs intakten, gleichzeitig aber durch die Globalisierung bedrohten Wohlstand und einer starken Wertschöpfung auf KMU-Basis hat eine nationalistisch oder auch nur patriotisch orientierte Partei mit wertkonservativem Hintergrund ein Potenzial von rund 30 Prozent der Stimmen.“ entspricht dies in etwa der gleichen Aussage.

Was an den Berichterstattungen und Kommentaren von Weltwoche, Tages-Anzeiger und Das Magazin (nach dem absurden Beitrag von Thomas Schwafler-Held Ende Januar folgte am 5.3.2011 ein noch absurderer Beitrag) auffällt: Polemik und Versuche, ein ernsthaftes Thema lächerlich zu machen, Widerstand gegen naturwissenchaftliche und technische Erkenntnisse – klassischer Blocheranismus also! Wie beim Blocheranismus fehlöen zukunftsgerichtete Lösungsansätze, es wird krampfhaft versucht, an den „Istwerten“ festzuhalten.

Das 2000-Watt-Gesellschaft-Konzept ist ein globales Konzept: jeder Mensch auf dieser Erde soll die Möglichkeit haben, Energie im Betrag von 2000 Watt (verstanden als mittlere Primärenergiedauerleistung) zu konsumieren und dabei einen Ausstoss von Treibhausgas-Äequivalenten von 1 Tonne pro Jahr zu verursachen. Derzeit benötigt der durchschnittliche Mensch auf dieser Erde etwa 2500 Watt Primärenergie und verursacht rund 7 Tonnen Treibhausgas-Aequivalente. Treibhausgas-Aequivalente: damit wird berücksichtigt, dass die Vielzahl von Treibhausgasen eine unterschiedlich starke Wirkung auf den Treibhauseffekt hat; der besseren Vergleichbarkeit wegen werden die Wirkungen der verschiedenen Gase mit dem Treibhausgas CO2 verglichen.

Wichtig dabei: auf globaler Ebene gibt es keine Grenzen, es gibt somit keine „graue“ Energie und keine „grauen“ Treibhausgasemissionen (graue Energie: Energie, die für die Herstellung von Gütern und das Anbieten von Dienstleistungen erforderlich ist). Wenn sich nun Gemeinden und Städte entschliessen, das globale Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft für ihren Verantwortungsbereich zu konkretisieren, braucht es eine methodische Festlegung, wie sowohl mit den auf Stadtgebiet konsumierten Energien und dabei ausgestossenen Treibhausgasen als auch mit den Energien und Treibhausgasen, die mit den „Flüssen“ von Waren und Dienstleistungen über das Gemeindegebiet verbunden sind, umzugehen ist. Eine derartige Methode umfasst eine ganze Reihe von arbiträren Festlegungen („arbiträr“ hat den gleichen Ursprung wie das französische Wort „arbitre“, was auf Deutsch Schiedsrichter heisst) und Vereinfachungen; diese Methodik untersteht deshalb jederzeit einem seriösen wissenschaftlichen Diskurs, welcher zu einer kontinuierlichen Verbesserung dieser Methodik führt. Blocheranismus ist allerdings in keiner Art und Weise als seriöse Wissenschaftlichkeit zu bezeichnen.

Sämtliche methodischen Diskussionen ändern nichts daran: der ökologische Fussabdruck der in der Schweiz lebenden Menschen ist übermässig gross – die methodischen Diskussionen betreffen nur das Mass des Übermasses! Das Konzept oder die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft ist somit eine taugliche Energie- und Klimaschutzpolitik-Strategie.

Daher die Fragen an die Blocherianer, z.B. die Herren Thomas Held, Stefan Häne (Tages-Anzeiger) und Alex Reichmuth (Weltwoche):

  • Akzeptieren Sie, dass die Menschen in der Schweiz einen massiv übermässigen ökologischen Fussabdruck haben?
  • Sind Sie – wie die Mehrheit der in der Schweiz lebenden Menschen – der Ansicht, dass dieser übermässige Fussabdruck zu vermindern ist?
  • Teilen Sie die Einschätzung, dass die Schweiz bis anhin zu wenig zur Verminderung des übergrossen ökologischen Fussabdrucks unternommen hat (unter Ignoriererung von Gerechtigkeitsansprüchen gegenüber zukünftigen Generationen und anderen Weltgegenden)?

Einen gewichtigen Beitrag zum ökologischen Fussabdruck leistet der Verbrauch an endlichen fossilen Ressourcen (Erdöl, Erdgas, Kohle) und der Einsatz von endlichem Uran in Atomkraftwerken für die Stromproduktion. Nicht nur der Treibhausgaseffekt, sondern auch die Endlichkeit der fossilen und nuklearen Ressourcen (Stichworte Peak Oil, Peak Everything) erfordert engagiertes und wirkungsorientiertes Handeln. Und spätestens die politischen Ereignisse in Nordafrika mit dem Gewaltkulminationspunkt Libyen belegen: um den „Krieg um Öl“ zu beenden, braucht es eine völlige Abkehr von den endlichen Energieträgern.

Regelmässig wird von dern Blocheranisten suggeriert (Stichwort Polemik), die 2000-Watt-Gesellschaft führe in den finanzpolitischen Ruin. In einer Welt, bei der die gesamte Wirtschaft auf geringe Steigerungen des Oelpreises mit Stress-Symptomen („Wirtschaftskrise“) reagiert, ist die ökonomische Argumentation von grosser Bedeutung. „How rich is the 2000 Watt Society“ fragt beispielsweise die ETH Zürich – wer einen Unterschied in der BIP-Entwicklung zwischen dem BAU-Szenario (Business As Usual) und dem 2000-Watt-Szenario ausmachen will, braucht allerdings sehr gute Augen. Selbstverständlich gibt es Branchen-Unterschiede – Strukturveränderungen gehören aber als normale Entwicklung zur Wirtschaftspolitik. Auch hier zu beachten: die Gemeindeordnung gibt als Zeitpunkt für die Erreichung des Treibhausgase-Ziels das Jahr 2050 an, also eine auf lange Dauer angelegte Entwicklung! In den zweiundvierzig Jahren zwischen Abstimmung und Zielzeitpunkt wird einiges an gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Veränderungen erfolgen.

Dazu ein Zitat aus einem früheren Beitrag von umweltnetz.ch: Der ehemalige Chefökonom der Weltbank Sir Nicholas Stern hat im Auftrag der britischen Regierung ermittelt, dass das Vorsorgeszenario wesentlich günstiger kommt als das Anpassungsszenario. Nur ein Prozent des BIP ist dafür notwendig, während das Anpassungsszenario fünf Prozent des BIP erfordert. In der klassischen Sicht der Ökonomie zeigt sich dabei allerdings eine Schwäche des Vorsorgeszenarios! Weil beim BIP auch “End of Pipe”-Lösungen, also Symptombekämpfung, einen positiven Beitrag zum BIP leistet, gefällt den bürgerlichen ÖkonomInnen dieses Szenario deutlich besser – es entsteht derzeit ein zumindest informelles Bündnis zwischen der Erdölwirtschaft und diesen BIP-fixierten ÖkonomInnen.

Solche ökonomischen Szenarien gehen von linearen Verläufen der Ereignisse aus. Die noch nicht absehbaren Folgen der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der „arabischen Revolution“ ab etwa Januar 2011 sind bei solchen Szenarien nicht berücksichtigt. Oder anders: die 2000-Watt-Gesellschaft – mehr Energieeffizienz, hin zu erneuerbaren Energien, Diskussion der Ansprüche – ist letztlich eine Versicherungspolice und dient der Risikoverminderung unserer Energieversorgung. Wer sich gegen die 2000-Watt-Gesellschaft wendet, betreibt Lobbyarbeit für die Atomenergie und die Oelscheichs!

Weitere Fragen an die Blocherianer (Namen siehe oben):

  • Akzeptieren Sie Studien wie „How rich is the 2000 Watt Society“ der ETH Zürich, die unter Berücksichtigung der Szenariogenauigkeit keine relevanten Unterschiede in der BIP-Entwicklung zwischen „Business As Usual“- und 2000-Watt-Szenario ergeben (im Wissen darum, dass das BIP kein relevanter Wohlstandsindikator ist)?
  • Sind Sie mit der Einschätzung einverstanden, dass eine auf Effizienz, erneuerbare Energien und Suffizienz ausgerichtete Energie- und Klimaschutzpolitik einer Zukunfts-Versicherungs-Police entspricht?
  • Welche zukunftsgerichteten energie- und klimaschutzpolitischen Aktivitäten unterstützen Sie? P.S. Atomenergie ist KEIN Klimaschutzbeitrag.

Klar festzuhalten ist, dass die 2000-Watt-Gesellschaft nicht kompatibel ist mit Atomenergie und fossilen Energien. Da leider die Energiepolitik in der Schweiz traditionell auf die Atomenergie fixiert ist, und die bürgerlichen Parteien FDPSVPCVP aus Respekt vor der Arbeit früherer Parteimitgliedern in Exekutiv- und Legislativämtern (die heute vielfach in den Verwaltungsräten diverser pseudo-öffentlicher Stromversorgungsunternehmen wie AXPO etc Einsitz nehmen), wird auch die 2000-Watt-Gesellschaft von den bürgerlichen Parteien und insbesondere den ihnen nahestehenden Medien ausschliesslich unter der Optik Atomenergie betrachtet – und weil die 2000-Watt-Gesellschaft die Atomenergie wegen ihres hohen Primärenergieanteils nicht gebrauchen kann, sind viele bürgerliche Parteien und die ihnen nahestehenden Medien auf eine Ablehnung der 2000-Watt-Gesellschaft fixiert.

Daraus ergeben sich weitere Fragen an die Blocherianer (Namen siehe oben):

  • Können Sie nachvollziehen, dass eine Ablehnung der 2000-Watt-Gesellschaft nur für die Atom- und Erdöl-Lobby erforderlich ist? Oder anders: sind Ihre Medien und Unternehmen auf die Einnahmen von Seiten der Atom- und Erdöl-Lobby angewiesen?
  • Da die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft stark von den energie- und klimaschutzpolitischen Absichten der mehrheitlich links-grünen Städte geprägt ist: entspringt Ihre Ablehnung der 2000-Watt-Gesellschaft Ihrer Position gegenüber den links-grünen Exekutiven und ihren WählerInnen?

Zum Schluss nochmals die Wiederholung des ersten Satzes: Die 2000-Watt-Gesellschaft ist eine Energie- und Klimaschutzpolitik-Strategie, die umfassenden Nachhaltigkeitsansprüchen genügt.